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Presspolizei in Deutschland.
beschaffen sind, viel Abgang finden“ ; wenn die Bücher nicht in den
Zeitungen angezeigt werden dürften, würden sie nicht bekannt und
ein wahrer, gesetzter, wohlmeinender Patriot würde dann nichts mehr
schreiben, weil er keinen Absatz seines Productes sehe. 1791 wurden
die Landesbehörden aufgefordert, Filial-Censurbehörden zu errichten,
da die bestehenden Vorschriften als nicht genügend befunden wurden.
1793 wurde angeordnet, dass auch die Bücher, welche einen wirklichen
Censurrath zum Verfasser hatten, der ordnungsmässigen Censur zu
unterwerfen seien. 1794 verbot ein Decret den in München befind¬
lichen drei Buchhandlungen, Liebesromane zu führen, „die in jedem
Anbetracht nichts nützen, wohl aber im Gegentheil für die Leser,
besonders für die nach dergleichen Lecture begierige Jugend äusserst
schädlich und verderblich seien “.
Ein im Jahre 1796 gemachter Vorschlag, das Censurcollegium,
welches wegen „eingeschränkter Kenntniss“ eine so ungeheure Menge
Bücher als nicht erlaubt bezeichne, zu suspendiren und seine Ver¬
richtung der Polizeidirection zu übertragen, wurde vom Kurfürsten
Karl Theodor abgelehnt, aber von dessen Nachfolger Max Josef
mit Rescript vom 2. April 1799 ausgeführt. An seine Stelle trat eine
neue Büchercensur-Specialcommission, welche am 9. April 1799 den
Münchener Buchhändlern anzeigte, dass ihnen künftig alle vom Aus¬
lande kommenden Bücher nach entrichteter Mauth- und Accisgebühr
unaufgehalten ausgefolgt werden sollten, jedes Buch aber, das zum
öffentlichen Verkaufe ausliegen oder in den Mittwochblättern ange¬
kündigt werden solle, müsse der Commission vorgelegt werden; nur
Werke über Naturgeschichte und sonstige streng wissenschaftliche
Disciplinen treffe diese Gensurpflicht nicht. Ferner wurden Bücher,
welche öffentlich zu verkaufen nicht erlaubt waren, die man aber den
gelehrten Kreisen nicht vor enthalten wollte, mit dem Worte permittatur
bezeichnet, sie durften unter der Hand an Leute von Stand und Beruf
abgegeben werden. Ohne Specialerlaubniss der Regierung durfte keine
neue Zeitung oder ein sonstiges periodisches Blatt politischen Inhalts
in Bayern gedruckt werden; um diese Licenz war das Ministerial-
Departement der auswärtigen Angelegenheiten anzugehen. Dieses
bestellte auch eine Censur in München, während in den übrigen
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Provinzen der Chef der politischen Landesstelle aus dem Gremium
einen einsichtsvollen, sprachkundigen und bescheidenen Beamten als
Censor aufzustellen hatte. Wegen der Censur der literarischen und
übrigen periodischen Blätter blieb es beim alten Herkommen.
Als der Kurfürst sich mit seiner Familie hatte flüchten müssen
und die Franzosen die Hauptstadt besetzt hielten, erschienen zahllose
Pasquille auf die Regierung des noch kurz vorher vergötterten Kur¬
fürsten, welche offen die Republikanisirung Bayerns predigten. Doch
trotzdem erfolgte keine Reaction, es wurde vielmehr 1803 die Censur
aufgehoben ; die Regierung verlangte nur, dass die Buchhändler ihre
Kataloge der Polizei übergeben sollten, dass ferner der Hausirhandel
aufmerksam beobachtet werde und behielt sich das Verbot und die
Beschlagnahme der Bücher vor; für anonyme Schriften war derjenige
haftbar, der den Debit besorgte.168
Die vorstehenden Mittheilungen aus der Geschichte der bayeri¬
schen Censur dürften genügen, um ein Bild der damaligen Presspolizei
in Deutschland zu geben. In Preussen war unter Friedrich II., in
Oesterreich unter Josef II. die Censur mild, aber der Gedanke an
die gänzliche Aufhebung derselben war jener Zeit noch fremd. Kaiser
Josefs Censurgesetz vom 11. Juni 1781 setzte fest, dass künftig nur
eine Censurstelle für alle Erbländer in Wien bestehen solle ; es
gewährte also dieses Patent keine Pressfreiheit, es liess die Censur
bestehen, aber sie wurde in Wien liberal ausgeübt und man konnte
sich den Censor selbst wählen. Die oberste Leitung behielt sich der
Monarch vor. Mit den Hofdecreten vom 24. und 26. Februar, sowie
vom 1. und 13. April 1787 wurde den Wiener Buchdruckern gestattet,
Manuscripte vor erlangtem „Admittitur“ in Druck zu geben und nach¬
träglich die Censur einzuholen, diese Decrete wurden aber vom Kaiser
Josef selbst am 26. Jänner 1790 wieder aufgehoben.169
Die Censur ist vielfach verurtheilt worden, aber auch das Amt
der Censoren war kein angenehmes. Der geheime Archivar Schlüter,
der als Historiker auch alle kleinen Schriften, Gedichte, Wochen¬
schriften u. s. лѵ. zu censiren hatte, bemerkte in einer Eingabe an
den König im Jahre 1788: „Es ist gewiss kein Vergnügen, alle der¬
gleichen Blätter und Piecen zu lesen, welche grösstentheils sehr