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Geistlichen befundene Buch musste der Besitzer drei Gulden Strafe
zahlen, wovon der dritte Theil dem Angeber zufiel; ja sogar die Buch¬
binder wurden 1759 in Oesterreich angewiesen, die ihnen zum Ein¬
binden übergebenen Bücher den Seelsorgern zur Prüfung vorzulegen.
Unter Max Josef III. suchte sich die bayerische Regierung von
der kirchlichen Censur zu emancipiren. 1766 wurde erklärt, dass die
Censur niemand anderem als der Landesherrschaft gebühre, die gegen-
theiligen bischöflichen Massregeln wurden für null und nichtig erklärt,
die an den Kirchenthüren angehefteten bischöflichen Decrete mussten
abgenommen werden und den Geistlichen wurde bei Vermeidung der
Temporaliensperre verboten, gegen den Willen der Landesregierung
zu handeln. Nur der Verruf jener Bücher, welche entweder gegen die
katholische Religion oder die gute Sitte seien oder welche gegen die
Grundregeln des Staates verstossen, wurde durch ein Mandat vom
5. Jänner 1767 erneuert.
Im Jahre 1769 wurde ein Censurcollegium eingesetzt, dessen
Mitglieder vom Kurfürsten gewählt wurden, deren Mehrzahl zwar
dem Clerus angehörte, aber jene gemässigte, ja sogar freisinnige
Richtung vertrat, welche damals unter der Weltgeistlichkeit in Alt¬
bayern viele Anhänger zählte. Verrufserklärungen anderer Staaten
sollten nicht massgebend sein, aber ebensowenig fremde Appro¬
bationen. Nur landesherrliche Verordnungen waren censurfrei, dagegen
Schulbücher besonders streng zu prüfen. Uebrigens war Predigern,
Professoren und anderen clistinguirten Personen, bei denen ein
Periculum perversionis nicht zu befürchten war, die Einfuhr des einen
oder anderen Exemplars von verbotenen Büchern, aber nur mit kur¬
fürstlicher specieller Erlaubniss und gegen einen Revers gestattet,
dass solche Bücher nur aus guten Endzwecken, allenfalls der Wider¬
legung halber begehrt und an niemand anderen ausgeliehen würden.
Ein Mitglied dieses Gensurcollegiums, der Augustiner P. Fülgentius,
erklärte in einem Protokoll: „Wenn niemand entgegensetzen darf,
wird man niemalen zu einer gegründeten Wahrheit kommen. Ex
oppositis veritas magis elucescit. Niemand hat das Recht, seine Meinung
ohne vorhergehende Prüfung anderen mit Gewalt aufzudringen. Gegen
Gebetlein voll Aberglaubens dagegen werde ebenso scharf verfahren,
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wie gegen die nit auferbaulichen Theatrales und Meditationes.“ Aus¬
wärtige Buchhändler, welche die bayerischen Jahrmärkte besuchen
wollten, mussten wenigstens drei Monate vorher die Kataloge der¬
jenigen Schriften vorlegen, die sie hereinzubringen gedachten, das
Collegium hatte diese Noten zu prüfen, die unpassirbaren in margine
anzumerken, worauf diese Noten gestempelt und mit einem schrift¬
lichen Pass versehen wurden, der als Legitimation bei den Mauthen
und Accisämtern diente.
Im selben Jahre wurde der neu ausgearbeitete bayerische Cata¬
logas librorum prohibitorum veröffentlicht. Theils als religionswidrig,
theils als den guten Sitten, theils auch den landesfürstlichen Gerecht¬
samen nachtheilig wurden verboten, unter anderen: Roüsseaus Emile
und Esprit, Maximes et principes, В ay les Dictionnaire historique et critique,
LaMettries Oeuvres, FebroniiZL statu ecclesiae, Damms Neues Testament.
Jakob Böhmes Büchlein vom christlichen Testament „nebst allen
übrigen Schriften dieses fanatischen Schusters von Görlitz“, Stoibers
Armamentarium ecclesiasticum, Voltaires Pensées philosophiques, Épitre
à Uranie, Sur la religion naturelle etc., Rathes Unpartheiische Abhand¬
lung, ob denen Herzogen in Bayern das von so vielen so hoch¬
gepriesenen Jus regium in ecclesiasticis zugestehe ; das grosse Planeten¬
buch, das Traumbuch des Jacobus Lupius und andere abergläubische
Schriften, Freimaurerbriefe, Voltaires Pucelle, Boccaccios Decameron,
Crebillons Contes und andere lasciv-erotische Schriften. In einem
späteren Censurmandate wurde bestimmt, dass die Schriften der
Akademie der Wissenschaften keiner Censur unterworfen, dagegen die
theologischen Schriften mit besonderer Sorgfalt geprüft werden sollten.
Nach dem Tode Max Josefs erfolgten strengere Massregeln und
das Censurcollegium beschwerte sich über die Ueberbürdung, welche
ihm dadurch auferlegt wurde. Im Jahre 1783 erliess die kurfürstliche
Regierung ein Verbot, dass weder in Zeitungen, noch in Intelligenz¬
blättern, noch in irgend einem Buche eine Druckschrift angekündigt
werde. Gegen diese Anordnung wagte das Censurcollegium eine Vor¬
stellung zu erheben, in welcher es heisst: „Religion, Sitten, Staats¬
verfassung verursachen, dass man bei uns billig eine Menge Bücher
verbieten muss, welche in anderen Ländern, wo diese Stück anders