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Die Donatdrucke.
ausgerüstet sein, welche nur bei kleinen Werken ohne allzugrosses Risiko
gemacht werden konnten. Dass er selbst zuerst einen Donat druckte,
dürfte wahrscheinlich sein und stimmt mit der Nachricht des oben
citirten Gewährsmannes überein, wonach der Erfinder „den Studien
sehr ergeben gewesen und betrachtet habe, wie mancher edle Geist
(ingenium) aus Mangel an Büchern, die eine so gar lange Zeit und hohen
Verlag abzuschreiben erfordert dnd nicht in eines jeden Beutel gesteckt,
unbillig verliegen, ja sogar habe verderben müssen.“ Fürwahr, ein
edler Vorsatz, und würdig des Mannes, der mit dem Donat, einer kurzen
lateinischen Grammatik, welche in den Schulen des Mittelalters allge¬
mein im Gebrauch war, zu drucken anfing und mit dem Katholikon,
einem lateinischen Wörterbuche, zu drucken aufhörte, das ist derselbe
hohe Sinn, der aus den in der Einleitung citirten Schlusswollen dieses
Katholikon hervorleuchtet und wohl geeignet ist, zu erklären, wie ein
Mann, der von Beruf kein Briefmaler und kein Formschneider war,
auf den Gedanken verfallen konnte, Bücher mittelst Druck zu verviel¬
fältigen. Dieser Mann mochte wohl einen Ehrgeiz darin erblicken, mit
dem Druck der Bibel, des verehrtesten Buches im Mittelalter, die
höchste Stufe seiner Kunst zu zeigen, aber ihm wird es kaum in den
Sinn gekommen sein, mit dem Druck von Heiligenbildern und anderer
geläufiger Marktwaare nach Brod zu jagen.
Was nun die holländischen Donate betrifft, welche den Anstoss
zur Erfindung der Buchdruckerkunst gegeben haben sollen, so scheint
wohl dafür eine Stelle im Tagebuche des Abtes Jean de Robert zu
sprechen, welche lautet: „Item für ein Doctrinale jeté en moule, das ich
zu Brügge durch Marquart, den ersten Schreiber von Valenciennes,
im Jahre XLV (1446) für Jacquet holen liess, 20 soli tournois. Alexan-
derchen bekam auch ein solches, das die Kirche bezahlte. — Item ich
sendete eine Doctrinale nach Arras, um Dom Gerard zu lehren, das in
Valenciennes gekauft worden ist Jeté en moule und kostete 24 Groschen.
Er schickte mir das erwähnte Doctrinale zurück am ersten Allerheiligen¬
lage des Jahres LI (1452), indem er sagte, es sei werthlos und voller
Fehler; er hatte (selbst) eines von Papier gekauft.“ 29 Man hat jeté
en moule in seiner jetzigen Bedeutung als „gegossene Lettern“ aufge¬
fasst, aber dieser Sinn kann unmöglich vorliegen, denn Lambinet30
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sagt: „Es war um 1400, dass die Deutschen, die Flämen, die Hollän¬
der, die Italiener die ersten moules en bois machten, um mit grösserer
Schnelligkeit Spielkarten zu fabriciren und ihnen einen gemeineren
und minder kostspieligen Verbrauch zu verschaffen.“ In dem von
Bernard veröffentlichten Facsimile der obigen Stelle heisst das Wort
molles, und dieses bedeutet nach Du. Gange einen „Abdruck in Wachs“,
bei Lambinet sind es Holzformen zum Drucke, und diesen Sinn scheint
das Wort auch in dem Privilegium zu haben, welches 1474 den Pariser
Druckern von Ludwig XI. verliehen wurde, „ihre Kunst auszuüben, um
auf verschiedene Art Bücher herzustellen, Schriften en mosle und
andere.“ Das Doctrinale kann daher von Holztafeln hergestellt sein.
Nach Junius soll das Doctrinale schon 1442 zu Mainz gedruckt worden
sein, doch ist auf dessen Be¬
hauptungen nicht viel Gewicht
zu legen. Dass die Buch¬
druckerkunst nicht von den
Niederlanden nach Deutsch¬
land, sondern umgekehrt ge¬
wandert ist, beweist Colard
Mansion, der 1454—1468 in
Nr. s. Donatfragment. (Nach Конто.) demRegisterderBriefdrucker-
zunft in Brügge erscheint, wo sein Name während der Jahre 1469
bis 1470 (zu welcher Zeit er wahrscheinlich in Köln die Buchdrucker¬
kunst lernte) fehlt, während er 1475 als Buchdrucker auftritt.
Ein älteres Zeugniss gibt eine Stelle im Kataloge des Klosters
Weiblingen in Schwaben, wo es heisst: Item Dorninicalia in parvo libro
stampato in papyro, non scripto, d. h. „ein Dominical in einem kleinen,
auf Papier gedruckten, nicht geschriebenen Buche“ und am Schlüsse:
Anno Domini 1340 viguit qui fecit stampare Donatos, d.h. „im Jahre 1340,
(jedenfalls Schreibfehler für 1440, wie solche Schreibfehler oft Vor¬
kommen, und selbst in den Incunabeln als Druckfehler viel Verwirrung
verursacht haben) blühte Derjenige, welcher Donate druckte.“31
Dr. v. D. Linde glaubt, dass der Kölner Chronist in demselben
Irrthum befangen war, der bis auf die jüngste Zeit das Urtheil ver¬
wirrte, dass nämlich ein Druck für desto älter gehalten wurde, je