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Verruf. Unterstützungen.
Es konnte auch eine ganze Stadt in Verruf kommen. Ein Buch¬
drucker zu Sangerhausen, Namens Binsow, hatte 1684 einem Frank¬
furter Buchhändler einen Wechsel auf 114 Thaler entwendet und sich
dann an die Nürnberger Gesellschaft um Vermittlung gewendet. Diese
gab ihm den Rath, sich nach Frankfurt zu begeben und seine Strafe
abzubüssen; statt dessen ging er nach Leipzig, wo er Freunde hatte
und Kundschaft erhielt. Dagegen lehnten sich die Leipziger Buch¬
druckergesellen auf, sie wurden vom Leipziger Rathe mit Gefängnissr
Geld und Landesverweisung gestraft, aber die Gesellen erklärten Leipzig
in Verruf. Von dieser Zeit an ging kein Geselle mehr nach Leipzig, die
Arbeiten blieben unausgeführt, die in Leipzig Postulirten wurden
nirgends anerkannt, erhielten keine Condition oder, wenn sie eine
erhielten, wurden sie nicht geduldet, die ganze Leipziger Buchdruckerei
stockte. Der Streit dauerte bis zum Jahre 1687, wo die Jenaer
Gesellschaft denselben damit beilegte, dass die Leipziger verpflichtet
wurden, den gestraften Gesellen Entschädigung zu geben.
Die Hauptaufgabe der Innung war die Sorge für Unterstützung-
in Krankheits- und Unglücksfällen und für ein feierliches Begräbniss.
Nach der Frankfurter Ordnung musste jeder Drucker von jeder Presse,
die er beschäftigte, wöchentlich vier Pfennige und jeder Geselle
wöchentlich zwei Pfennige einlegen. Gesellen, welche ihr Geld lüderlich
verthaten, feierten und borgten, wurden nicht aus der Lade unterstützt.
In Nürnberg wurde das doppelte gezahlt, und musste jeder Fremde,
der Arbeit bekam, einen halben Gulden einlegen. Die Leipziger Ordnung
bestimmte, dass, wenn jemand starb, die Herren, Gesellen, Weiber,
Kinder, Jungen, Mägde, alle die Leiche bis zum Grabe und die Trauern¬
den nach Hause begleiten mussten, bei Strafe bis drei Gulden.
Ueber die Gebräuche in den englischen Druckereien verdanken
wir Moxon eine ausführliche Schilderung. Jede Druckerei wurde von
den Gehilfen eine „Kapelle“ genannt, deren Vater der älteste war; über
eine Uebertretung der Gebräuche entschied die Mehrheit inappellabel,
„die Kapelle kann nicht irren“; die Strafe wurde „Solace“ (Erfrischung)
genannt, die Höhe war verschieden, von 1 bis 12 Pence. Solche Strafen
waren gesetzt: auf das Fluchen, Raufen, Schimpfen, jemand einen
Lügner heissen, Trunkensein, ferner wenn jemand sein Licht überNacht
Englische Gebräuche.
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hatte brennen lassen, wenn einem Setzer der Winkelhaken oder einem
Drucker der Ballen zu Boden fiel und ein anderer ihn aufhob, wenn
unter dem Kasten eines Setzers drei Buchstaben und ein Spatium
lagen. Weigerte sich jemand zu zahlen, so wurde er mit dem Bauche
auf einen Corrigirstuhl gelegt und einer gab ihm mit dem Feuchtbret
„10 Pfunde und eine Zahlung“, d.h. elf Schläge auf den Hintern;
ungefähr fünfzig Jahre früher (vor 1688) soll es vorgekommen sein,
dass ein so Misshandelter sogleich Blut von sich gab und kurz darauf
starb. In einzelnen Kapellen bestanden noch besondere Verbote, wie
Aufforderung zum Zusammenschiessen von Geld, um einen Trunk zu
thun, Aufforderung zur Verzehrung des Kapellengeldes vor Samstag
Nachts,Quadräteln(hiezu wurden gewöhnlich English, d.i.Mittelgevierte
genommen), Entwendung von Aushängebogen (solche Verbote gingen
gewöhnlich von Druckerherren aus), oder wenn ein Setzer einem
Drucker ein Büschel Heu in den Ballen steckte, wenn ein Arbeiter oder
ein Fremder eine Frau in der Kapelle küsste u. s. w. Unterschieden
von den Solaces waren die Benvenues; so z.B. war bei Eintritt in eine
Condition eine halbe Krone zu zahlen, war der Betreffende schon früher
in derselben Druckerei, so zahlte er die Hälfte, dessgleichen wenn ein
Arbeiterin eineranderen Druckerei aushalf; wenn ein Arbeiter heiratete,
zahlte er eine halbe Krone, wenn seine Frau zur Druckerei kam,
zahlte sie sechs Pence und alle Arbeiter schossen dann je zwei Pence
zusammen, um sie zu bewillkommnen; wurde einem Arbeiter ein Sohn
geboren, so zahlte er einen Schilling, wenn es eine Tochter war, sechs
Pence. Es ist oben erwähnt worden, dass es verboten war, jemanden
Lügnerzu heissen; erzählte aber jemand eine Geschichte, welche keinen
Glauben fand, so stiessen die Setzer mit dem Rücken ihres Winkel¬
hakens auf den Kastenrand und die Drucker schlugen die Griffe der
Ballen aneinander. Sitte war es ferner, dass alljährlich neue Papier¬
fenster gemacht wurden, gleichviel, ob die alten noch brauchbar waren
oder nicht. An diesem Tage gab der Druckerherr seinen Leuten die
Way-goose (Wayz-goose, d. i. Stoppelgans), d. h. er gab ihnen ein Fest
und bewirthete sie nicht nur in seinemHause, sondern gab ihnen auch
Geld, um sich Nachts in den Bierhäusern und Schänken zu belustigen.
Hiezu wurden auch der Corrector, Giesser, Schmied, Tischler und