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Gehilfenordnung.
Untüchtig wurde auch ein Buchdrucker, der sich mit einem unehe¬
lichen oder berüchtigten Frauenzimmer in einEheverlöbniss eingelassen
oder solches gar geheiratet hatte, derselbe, welcher damit „Drucker¬
herren und Gesellen in Schimpf- und verkleinernde Nachrede“ setzter
solle unter der ehrlichen Gesellschaft nicht geduldet werden.
Unter diesen Umstünden war bei der Aufnahme fremder Gesellen
Vorsicht nothwendig, dieselben mussten sich mit Zeugnissen über ihre
eheliche Geburt und über ihre letzte Arbeit ausweisen, fanden ihre
Genossen an ihnen nichts auszusetzen, so nahmen sie von ihnen den
Introitus, d.h.das Eintrittsgeld an und waren ihnen Freunde und Helfer.
Standen jene jedoch im Verdacht, dass etwas an ihrem Vorleben tadel¬
haft sei, so wurde der Introitus nicht angenommen und sie mussten
sich entweder zu rechtfertigen suchen oder abreisen. Diese ursprüng¬
liche Bedeutung des Introitus ist bald verloren gegangen, der Eintritts¬
schmaus wurde die Hauptsache. Ueberhaupt suchten durstige Kehlen
jede Gelegenheit zu benutzen, um kostenfrei zu einem Schmaus zu
gelangen; sie nöthigten Zugereiste, nochmals ihr Postulat zu ver¬
schenken, indem sie das frühere bemängelten, jeder Namenstag musste
' gefeiert werden und wenn kein anderes Mittel vorhanden war, so griff
man zum Gautschen, d. h. der Betreffende wurde von seinen Genossen
an Händen und Füssen ergriffen und mehreremale auf einen nassen
Schwamm gestossen, der zu diesem Zwecke auf einem Corrigirstuhl lag,
für welche Taufe er sich mit einem Geschenk lösen musste. Auch die
Strafen wurden zuMitteln, um durstige Kehlen zu befriedigen. Die Folge
war, dass die Behörden das Strafrecht an sich zu ziehen suchten.
Bezüglich der Beschimpfungen bestimmten die „alten Ordnungen
und Kunstgebräuche“, dass, wenn jemand wider Verhoffen beschimpft
oder durch seinen Gegner ohne Ursache gescholten wurde, er dies
innerhalb 14 Tagen in der Druckerei anzeigen und nach Beschaffenheit
der Sache bei einer völligen Gesellschaft unverweilt vortragen müsse.
Wenn er sich unschuldig fand, durfte er das von seinem Gegner
gethane Schimpfwort ihm zurückschieben, aber selbst nicht wieder
schelten. Die Gesellschaft erkannte dann dem Schuldigen eine Strafe
zu. Bei der Verhandlung mussten die streitenden Parteien abtreten
und wurde in ihrer Abwesenheit verhandelt.
Strafen.
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Eine eigenthümliche Strafe war das Hofrecht. Wenn ein Buch¬
drucker einer Uebelthat beschuldigt wurde, aber derselben nicht über¬
wiesen werden konnte, oder sonst wider die Kunstgebräuche gehandelt
hatte und die Strafe zu zahlen sich weigerte, so wurde er auf Hofrecht
gestellt, d. h. er genoss keine Vortheile der ehrlichen Gesellen, wurde
auch von denen, welche neben ihm standen, nicht ästimirt, der Umgang
mit ihm gemieden, er durfte an keinem Postulate, sondern nur an der
Mahlzeit als Gast theilnehmen.
Die ärgste Strafe war die Exclusion (Ausschliessung). Ein Buch¬
drucker, der zu Wittenberg wegen Diebstahls verurtheilt worden war,
wurde excludirt, er wurde zuletzt aus Desperation s. v. (salva venia)
ein Häscher oder Stadtknecht, wie Werther berichtet. Doch war auch
hiebei, wenn das Verbrechen nicht zu arg war, eine Sühne zulässig.
Im Jahre 1673 druckte S. A. M. für den Buchhändler Johann Fleischer
ein Werk. Genannter Buchhändler, welcher öfter dieDruclcerei besuchte,
bemerkte, dass die Haufen des Papiers grösser waren, als die von ihm
bestellte Auflage. Eines Tages liess er einen solchen Haufen wegnehmen,
in seinen Laden bringen und nachzählen, wo sich dann ein Ueberschuss
ergab. Die Sache kam vor Gericht. Die beiden Buchdrucker Hans -
Hertel und Kilian Bröll schwuren, nachdem sie sich vorher mit
Branntwein Muth getrunken, dass kein Zuschuss über die von dem Buch¬
händler Fleischer gesetzte Auflage von ihnen mitgedruckt worden sei, es
könnten höchstens beim Feuchten des Papiers etliche Buch verhoben
worden sein. Einige Tage darauf wurde Bröll krank und beichtete
in Gegenwart seines Herrn die ganze Geschichte. Darauf wurde der
Buchdrucker verhalten, dem Buchhändler die Auflage sammt allem
Zuschuss abzuliefern, die beiden Gesellen wurden unehrlich erklärt,
er aber von allen redlichen Zusammenkünften ausgeschlossen, obgleich
ihm gestattet wurde, fortzuarbeiten, wenn erArbeitund Gesellen bekäme,
die bei ihm drucken wollten. Dem Bröll wurde, nachdem er in der
Rudolstädter Druckerei längere Zeit still und fleissig gearbeitet, wieder
verziehen, was aus Hertel geworden, hat man nicht erfahren können.
Dem Buchdruckerherrn aber, nachdem sein Bitten um Wiederaufnahme
wiederholt abgeschlagen worden war, wurde im Jahre 1676 das Vor¬
gegangene nachgesehen.