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Holzschnittdrucke in Handschriften.
Bernard Quaritch in London im Jahre 1878 ein Werk zum Verkaufe
aus, welches begann: „Ein Vorrede das Puch haist wöchentlich Andach
zu Seligkayt der weltlichen Menschen“, 17 Blätter Pergament, auf wel¬
chem 69 Holzschnitte eingedruckt sind, während der Text Handschrift
ist. Dieses Buch unterscheidet sich von der oben erwähnten Apokalypse
dadurch, dass die Bilder in den Text eingedruckt sind. Ein anderes
Werk, welches Holzschnitt und Handschrift vereinigt, ist das Manu¬
script Nr. 1820 der Wiener Hofbibliothek: Ordo Evangéliùrum per cir-
culum totius anni secundum consuetudinem Sommiate Ecclesiae. Es ist mit
jener schönen Schrift geschrieben, welche Schöffer verkleinert zu
seiner Bibel von 1462 verwendete, und enthält mittelst Holzstöcken
eingedruckte Initiale. Das Buch besteht aus verschiedenen Lagen, die
Lagen a ce le y haben gemalte Initiale, Bogen b Initiale mit violetter
Tinte und mit Schreibzügen verziert, in den übrigen sind die Initiale
eingedruckt und zwar besass der Schreiber drei Holzstöcke dazu, einen
zu vier Zeilen, einen zu drei Zeilen und einen zu zwei Zeilen. Der
Gebrauch von Holzstöcken zu Initialen dürfte vielleicht umfassender
gewesen sein, als man ahnt. Bei der Durchsicht verschiedener Hand¬
schriften und Incunabeln ist mir die Vermuthung aufgestiegen, dass
den gemalten Initialen und Randverzierungen Holzschnitte zu Grunde
lagen, welche für den Maler vorgedruckt wurden, die Farben wurden
so reich aufgetragen, dass die Spur des Holzschnittes verschwand, und
so mögen auch die oben erwähnten Initialen des Evangelienbuches
zum Ausmalen bestimmt gewesen und nur die Lage b aus einem
anderen Exemplar durch Verwechslung in das Buch gekommen sein.
Die Erfindung der Buchdruckerpresse scheint den Impuls zu den
Bilderbüchern mit beigedrucktem Text gegeben zu haben, der eine
Zeitlang mit dem lypendruck concurrirte. Nach Falkenstein 20 bildet
die „Kunst zu sterben“ (Ars moriendi), von dessen 24 Blättern 11 mit
Bildern, 11 mit Text und 2 mit der Vorrede und zwar auf der Presse
gedruckt sind, den Uebergang, zu den xylographischen Textbüchern.
Später erschienen auch Ausgaben dieses Buches mit beweglichen Let¬
tern. In einer der xylographischen Ausgaben nennt sich der Drucker:
Hans Sporer, Briefmaler 1478, eine andere ist von Meister Ludwig zu
Ulm, eine dritte zu Köln ohne Angabe des Jahres gedruckt. Von der
Die Armenbibel.
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„Armenbibel“ (Biblia pauperum) sind zwei xylographische Ausgaben
mit der Presse und auf beiden Seiten des Papiers gedruckt, von denen
die eine vom Jahre 1470 die Briefdrucker Friedrich Walther und
Hans Hurning zu Nördlingen als Verfertiger nennt, die andere mit dem
Monogramm von Hans Sporer das Jahr 14/7 als Zeitpunkt der Ent¬
stehung angibt. Zwei typographischeAusgaben derselben hat Albrecht
Pfister zu Bamberg um 1460 geliefert. Man hat diese Holztafeldrucke als
eine Erfindung der Niederländer bezeichnet, weil darin ein ti mit einem
Abstrich vorkommt, welches man als den Niederländern eigenthümlich
annahm. Wie unrichtig diese Annahme ist, beweist der hier einge¬
druckte Buchstabe, welcher einem Alphabete von Buchschriften des
XIV. Jahrhunderts entnommen ist, welche die k. k. Staatsdruckerei nach
niederösterreichischen Manuscripten anfertigen liess. Ueberdies ist
durch Lessing (Beiträge zur Geschichte und Literatur, Braunschweig
1773, IL) nachgewiesen worden, dass die Darstellungen der Armen¬
bibel genau denFenstergemälden entsprechen, welche einst das Kloster
Hirschau in Schwaben schmückten. Mit dieser im Styl verwandt ist
das theils xylographisch theils typographisch hergestellte Werk: Spe¬
culum humanae salvationis, dessen erste Ausgabe ebenfalls Deutschland
angehört, wenn auch die Platten und Typen später nach Holland
gekommen sind. Von diesem Werke befindet sich eine Bilderhandschrift
im Stifte Kremsmünster, welche allerdings nur 35 Blätter enthält,27
während das gedruckte Buch 58 Doppelbilder hat; man wird den Ur¬
sprung des letzteren auch nicht an der Donau, wohl aber am Rhein
suchen.
Was druckte aber der Erfinder der Buchdruckerkunst? Nach der
Chronik von Köln druckte er zuerst die Bibel, hätte aber die Anregung
dazu von holländischen Donaten erhalten. Diese Angabe ist ebenso
unrichtig, als die Angabe derselben Chronik, dass die Buchdrucker¬
kunst von Mainz zuerst nach Köln und dann nach Strassburg gekom¬
men sei, während die Strassburger Bibel des Mentel nach den For¬
schungen des Dr. v. D. Linde28 um 1460 gedruckt ist, also weit früher,
als die Buchdruckerkunst nach Köln kam (1466). Bevor der Erfinder
sich die Aufgabe stellte, ein so grosses und kostspieliges Werk wie
die Bibel zu drucken, musste er mit einer Summe von Erfahrungen