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Das Postulat.
Hatte der Lehrling seine Lehrzeit, von der es mit Recht hiess
,Lehrjahre, schwere Jahre“, ausgestanden und sich die erforderlichen
Kenntnisse und Fertigkeiten (bei deren Abgang die Lehrzeit verlängert
werden konnte) angeeignet, so wurde er im Beisein redlicher Kunst¬
genossen wieder freigesprochen und gegen die zu erlegende Gebühr
als Cornute erklärt.
Das Wort Cornutus heisst „Hörnerträger“; wenn ich nicht irre,
war es im Mittelalter für die Schüler im Gebrauch, welche an der
Hochschule einen Vorbereitungscurs für den Eintritt in die Universität
durchmachen mussten, in den Studentensitten hat sich im „Fuchs“ und
an manchen Gymnasien in den „Penälen“ etwas ähnliches erhalten.
Der Cornut war ein ausgelernter Lehrling, aber noch kein Geselle mit
dessen Ehren und Rechten. Er erhielt gewöhnlich auch nicht den
vollen Lohn. Nach den „alten Ordnungen und Kunstgebräuchen“
musste er jede Messe den Gesellen eine gewisse Summe erlegen, oder
wo keine vorhanden waren, der Druckerherr diese Summe an die
nächstgelegene Gesellschaft überschicken. Nach der Leipziger Ordnung
sollte er dieselbe Bezahlung wie die Gesellen erhalten, bei der ersten
Zusammenkunft sich im Beisein des Herrn, bei dem er gelernt hatte,
bei der Lade angeben und angeloben, sein Postulat zu verschenken,
der Herr sollte ihm wöchentlich nicht über drei Groschen herausgeben,
bis das Geld zum Postulat verdient sei.
Das Postulat, d.h. die Bedingung, welche zu erfüllen war, um in
den Gesellenstand aufgenommen zu werden, war eine feierliche Hand¬
lung, welche unter einer Reihe von symbolischen Gebräuchen erfolgte,
und wobei, namentlich wenn vermögende Cornuten postulirt wurden,
oft mehrere Tage hindurch gezecht wurde. In den „alten Ordnungen“
heisst es darüber: „Wenn er (der Cornut) durch Arbeit soviel erworben
oder sonst Vermögen hat, den Gesellennamen zu erhalten, so kann er,
wo nicht bei völliger Gesellschaft (d. h. bei der Zusammenkunft der
Mitglieder mehrerer Buchdruckereien), doch in Gegenwart von sechs
redlichen Kunstgenossen, welche als Beamte fungiren, nach Erlegung
der ordentlichen Gelder das Postulat verschenken, worauf er als ein
rechtschaffenes Mitglied der Kunst oder als redlicher Geselle auf- und
angenommen werden soll“. Aus Anlass eines Streites gebot der
Das Postulat.
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Leipziger Rath 1704, dass jeder sich meldende Cornut auf sein Ver¬
langen beim Ladenvater und vor den versammelten Buchdruckern sein
Postulat nach Gewohnheit und üblichem Herkommen, jedoch ohne
Deposition und andere ärgerliche damit verbundene Ceremonien ver¬
schenken solle, und zwar nicht mehr als im Betrage von 20 Thalern,
wovon 4 Thaler in die Lade und für Fordergebühr, 2 Thaler für die
Deposition und was sonst an Kosten vonnöthen, abgezogen und das
übrige an die Drucker vertheilt werden sollte. Dieses wohlgemeinte
Verbot blieb aber während des ganzenXVIII. Jahrhunderts wirkungslos,
ein Postulat ohne Ceremonien galt soviel wie eine Ehe ohne Trauung
und Hochzeitsschmaus; beweisen doch die 20 Thaler, dass die Be¬
stimmung der Nürnberger Ordnung von 1673 nicht eingehalten wurde,
wo es heisst: „Weil das Postulat eine Zeit her sehr kostbar angestellt
■wurde, also, dass es oft über 20 und mehr Thaler sich belief, wodurch
arme Gesellen in Schulden gebracht wurden, sollen in Zusammenkünften
nicht höher als 12 oder höchstens 16 Thaler mit allen Nebenunkosten
eingerechnet, aufgewendet, die Weiber aber zu solchen Mahlzeiten gar’
nicht zugelassen werden“.
Die Ceremonien bei diesem Postulatverschenken wurden von
Paulus de Vise, einem Buchdrucker zu Danzig, zuerst in kurzen Reimen
verfasst, dann von Philipp Caesar von Fürstenau 1642 in Hamburg mit
einer Vorrede herausgegeben und 1654 von Joh. Rist, einem Holsteiner
Pastor, privilegirten Dichter und Stifter des „Schwanenordens an der
Elbe“, verbessert, obgleich die darin vorkommendenSpässe noch immer
sehr derb sind.
Ich habe den Titel derselben als ein Muster des damaligen Ge¬
schmacks in Nr. 136 verkleinert abbilden lassen.
Der Inhalt ist in Kürze folgender: Monsieur Sausewind oder der
Viceknecht eröffnet das Spiel mit einer „lächerlichen Vorrede“,
bestehend in einem Liede, worin er die Herren, Frauen und Jungfrauen
begrüsst und das Lob des Bacchus singt; dann spielen die Musikanten
ein Menuet, nach dessen Beendigung Sausewind abgeht. Neue Musik,
während welcher der Prologus auftritt. Dieser hält in Versen oder
Prosa eine Lobrede auf die Buchdruckerkunst. Nachdem er abgetreten,
kommt der Herr Depositor, geht mit ernstem Gesicht und Sitten auf