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Verruf. Lehrlinge.
erlernt habe. Sofort wurde die Druckerei Hautts unter die Winkel¬
druckereien oder Hudeleien gerechnet und die dort ausgelernten Lehr¬
linge nirgends postulirt. Im Jahre 1664 wurde die von der fürstlich
mecklenburgischen Herrschaft zu Ratzeburg unter Approbation und
Erlaubnis der Gesellschaften zu Braunschweig, Wolfenbüttel, Lüneburg,
Giessen, Nürnberg, Frankfurt am Main und Jena errichtete privilegirte
WETSTEiNSche Druckerei, welche Nikolaus Riss leitete, in Verruf erklärt,
trotzdem Riss dieselbe 1667 eigenthümlich übernahm. Riss aber schob
die ihm angethane Beschimpfung auf die Verrufer zurück, und da er
im Rechte war, mussten sie die Verantwortung und Busse erleiden.
Indem so die Gehilfen für die Wünsche der Druckerherren ein¬
traten und verhinderten, dass diesen von Buchhändlern, Gelehrten und
sonstigen Capitalisten (nur bezüglich fürstlicher Privatdruckereien
scheint eine Ausnahme gemacht worden zu sein) Concurrenz gemacht
werde, setzten sie ihrerseits die Beschränkung des Lehrlingswesens
durch. In den Satzungen der Stadt Nürnberg vom Jahre 1673 wird
bestimmt, dass die Buchdrucker nicht übermässig Gesinde, sonderlich
Jungen übernehmen und nur soviel sie deren zur Nothdurft brauchen,
annehmen sollen. Doch dürfe ein Buchdrucker noch einen Jungen halten,
der die Correcturen austrägt und die Arbeiten im Hause verrichtet
(Possilirer), dieser dürfe aber nicht eher aufgedungen und eingeschrieben
werden, bis ein anderer losgesprochen werde. Nach der Leipziger
Buchdruckerordnung von 1606 musste jeder Lehrling, wenn er nicht
vom Herrn selbst angelernt werden konnte, einem Gesellen zur Unter¬
weisung übergeben werden. Der Betrag, der diesem (dem Anführgespan)
dafür gebührte, war mit zwei Thalern bestimmt, nach dem Ein- und
Ausschreibbuch der HASSENLANDSchen Buchdruckerei in Stettin waren
die Kosten für das Einschreiben ein Thaler, Anführgeld zwei Thaler
und Ausschreibgeld ein Thaler (wobei aber der hohe Werth des Geldes
in damaliger Zeit, der fast der zehnfache des heutigen war, zu berück¬
sichtigen ist). Der Anführgespan sollte, wenn er Drucker war, den
Lehrling soweit anlernen, dass er die Formen, in welchen er die erste
Messe angeführt wurde, kannte, und das Zurichten sowie alles dazu
nöthige verstand, der Setzerlehrling sollte soweit unterrichtet sein, dass
er nach einem Manuscripte setzen und ausrechnen konnte, ihm auch
Lehrlinge.
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Correcturen und Revisionen anzuvertrauen seien. Nach der Frankfurter
Ordnung hatte der Anführgespan das Recht, den Lehrling auch zu
Gängen ausserhalb der Druckerei zu verwenden, auch einem anderen
dies nach Gelegenheit zu erlauben, doch ohne vorsätzlichen Missbrauch,
und dass der Junge an seinem Tagewerke nicht sehr gehindert werde.
In der Leipziger Buchdruckeròrdnung heisst es: „Die Gesellen sollen
die Jungen auch nicht zur Unzeit wegschicken, wonach sie das, was
sie an der Arbeit versäumt haben, Sonntags einbringen müssen.
Sonntagsarbeit soll ohne besondere Nothwendigkeit vermieden werden.“
Für alle Lehrlinge waren die Servitici domestica üblich, d. h. der Lehr¬
ling musste alle häuslichen Arbeiten verrichten, auskehren, Feuer
anzünden und unterhalten, Wasser tragen, kurz alle Arbeiten verrichten,
welche einem Hausknechte zukommen.
Jeder Lehrling musste in Gegenwart redlicher Gesellen, nachdem
er eine Probezeit durchgemacht hatte, aufgedungen werden; wenn kein
Geselle vorhanden war, musste ein solcher aus der nächsten Buch¬
druckergesellschaft gegen eine entsprechende Vergütung erbeten
werden. Die Lehrzeit war vier, fünf oder sechs Jahre. Im Jahre 1686
wollte der Sohn eines reichen Bürgers die Buchdruckerei in zwei Jahren
erlernen und dafür 100 Thaler erlegen, es wurde ihm aber nicht erlaubt.
Der Buchhändler Fleischer wollte 1680 die Buchdruckerei zum Scheine
erlernen, um die Berechtigung zur Führung einer Buchdruckerei zu
erlangen, es wurde ihm aber von den Gesellschaften zu Leipzig, Jena
und Frankfurt abgeschlagen und er genöthigt, die bereits erworbene
Buchdruckerei zu verkaufen.
Wenn es in der Frankfurter Ordnung heisst: „Kein Geselle soll
sich unterstehen, dem Drucker seine Possilirer und Jungen zu ver¬
führen und zu verhalsstarrigen, oder mit Instructionen, was und wie¬
viel sie ihren Oberherren und Frauen zu thun schuldig seien, zum
Ungehorsam verleiten, bei Strafe von zwei Gulden;“ oder in der
Leipziger Ordnung: „Die Gesellen sollen die Lehrjungen nicht von der
Kunst abreden oder verhetzen, auch nicht mit Schelten, Ungestüm und
Schlägen die Jungen zwingen, davon zu laufen“, so beweist dies, dass
schon damals die Gehilfen gegen die Concurrenz des Nachwuchses
demonstrirten, und zwar mit drastischeren Mitteln als gegenwärtig.