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Entstehung der Buchdrucker-Innungen.
diesem und Werther aufgeführten 10 Punkte umfassen jedoch keines¬
wegs alle Satzungen und Gebräuche, viele derselben lernen wir aus
den Verboten der Buchdruckerordnungen von Frankfurt (1598,
erneuert 1660), Leipzig und Wittenberg (1606), Nürnberg (1673) u. a.
kennen, und im Nachfolgenden will ich versuchen, die zerstreuten
Bestimmungen zu einem Gesammtbilde zu ordnen.
Was zunächst die Lehrlinge betrifft, so war die erste Bedingung,
hier wie bei allen Zünften, die eheliche Geburt. Unehelich und unehr¬
lich war im Mittelalter gleichbedeutend, nur bei hochadeligen und
fürstlichen Personen deckte die Huld und Würde des Vaters den
„Bastard“. Im Bürgerstande wie bei den Buchdruckern ging man so
weit, dass schon ein Sprössling, welcher früher als neun Monate nach
der Hochzeit der Eltern zur Welt kam, als unehelich galt, er konnte
kein Lehrling werden und das Wort „Vorzeitiger“ war eine der ärgsten
Beschimpfungen, die einem Buchdruckergesellen angethan werden
konnten. In Beziehung auf die Lehrlinge vereinigten sich im XVII. Jahr¬
hundert die Wünsche der Principale und Gehilfen; jene verlangten,
dass niemand eine Druckerei leite, der nicht selbst die Lehrjahre, wie
sie, durchgemacht habe, diese verlangten ein Minimum von Lehrlingen.
Die Principale mussten den Forderungen der Gehilfen nachgeben, um
ihre Forderungen durchzusetzen, denn den Gehilfen war es im Grunde
gleichgiltig, ob der Druckerherr das Geschäft erlernt habe. Im Jahre
1647 verglichen sich die in Niedersachsen und in den Seestädten, als
Hamburg, Lübeck, Rostock u. s. w. wohnenden Buchdrucker, denen
1650 die in Strassburg, Frankfurt am Main, Mainz und Hanau beitraten,
„dass keiner, der nicht die Buchdruckerkunst ordentlich gelernt und
postulili worden sei, eine Druckerei errichten solle; Gesellen, die bei
einem solchen Arbeit nehmen, sollen separili und excludirt werden“.
Dadurch wurden im XVII. Jahrhundert Officinen, wie sie im vorigen
Oporinus und Platter geführt hatten, unmöglich, sie wurden als Hudelei
erklärt, und wirksamer als Kaiser und Reich wussten die Buchdrucker
ihre Beschlüsse durchzusetzen. Wenn jene vergeblich die Winkel¬
druckereien verboten, so genügte von diesen die Erklärung, dass eine
Buchdruckerei eine Hudelei sei, um sie unmöglich zu machen, kein
ehrlicher Geselle nahm Condition, die Lehrlinge wurden ihr abspenstig
Hudelei, Winkeldruckerei und Verruf.
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gemacht, und wenn dennoch einer auslernte, so wurde er nirgends
als Geselle anerkannt, nirgends postulili und auswärts erhielt er keine
Condition, keinem ehrlichen Gesellen war gestattet, länger als 14 Tage
neben einem Ausgeschlossenen zu arbeiten, und gewöhnlich blieb er
keinen Tag neben ihm, der Verruf war schlimmer als eine obrigkeitliche
Acht und die wandernden Gesellen bildeten eine Zeitung, die solche
Nachrichten mit Blitzesschnelle in ganz Deutschland verbreiteten,
einer sagte es dem ändern, und keine Obrigkeit konnte den schützen,
der so verfehmt war. Im Jahre 1652 hat in Arnstadt ein Geselle,
Namens Jakob Müller, einen rechtmässig postulirten Gesellen Philipp
Eberhardt für unehrlich gehalten, weil dieser angeblich in einer Hudelei
gelernt habe, zugleich berichtete Müller den Vorgang nach Leipzig.
(Eberhardt hatte in der Druckerei des Schall gelernt, welche nicht
ihm, sondern dem Gymnasialrector Reyher in Gotha gehörte.) Die
Behörde liess Müller wegen Beleidigung des Eberhardt in Arrest
bringen, es gelang ihm aber, zu entkommen. Schalls Druckerei gerieth
in Verruf. Vergeblich entschied der Herzog Ernst der Fromme, dass
Schall, obwohl er die Druckerei nur in Pacht habe, in keiner Weise
behindert werden solle, die Buchdrucker kehrten sich nicht an die
Behörden, die Lehrlinge, welche Schall annahm, wurden ihm abgeredet,
die Gesellen, welche bei ihm Arbeit nahmen, wurden getadelt und
geschmäht, erst im Jahre 1662 gelang es Schall, von der Jenaer
Gesellschaft die Aufhebung des Verrufs und seine Erklärung als ehr¬
lichen Buchdrucker zu erhalten. David Hautt in Gonstanz, Sohn des
Buchdruckers David Hautt, hatte 1678 von seinem Vater die Buch¬
druckerei ererbt, sie aber nicht, sondern nur die Schriftgiesserei gelernt
und arbeitete mit einem Gesellen und zwei oder drei Jungen. Schrift¬
giesserei und Buchdruckerei galten aber schon seit einem Jahrhundert
als ganz verschiedene Geschäfte, von denen jedes besonders erlernt
werden musste, darum erhoben zwei Luzerner Gehilfen über Hautt
Beschwerde; dieser wollte sie durch die Berner Behörde zwingen, ihn
als gut und tüchtig zu halten, sie liessen aber Hab und Gut im Stich, um
dem Zwang zu entgehen. Auf ihr Verlangen wurde der Gehilfe Johann
Hübschlin zu Feldkirchen von der dortigen Behörde vernommen und
er sagte aus, dass David Hautt der Jüngere die Buchdruckerei nicht