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Blaeus Presse. Fractur.
bewahren; schon dieser Umstand lässt auf einen leichteren elastischen
Zug schliessen. Wir finden ferner den Ober- oder Ziehbalken, der in
der alten Presse durch die Presswände ging und auf Pappstückchen
ruhte, um dadurch mehr Elasticität zu erhalten, von den Wänden durch
Breter abgesondert, aber mit der Krone durch Schrauben verbunden. Die
Spindel ist verkürzt und dünner geworden, steht aber durch Schrauben
mit dem Tiegel in Verbindung, welcher dadurch fester mit der Spindel
verbunden war, sich gleichmässiger auf die Schrift senkte, zugleich
aber beim Aufhören des Druckes sich leichter von der Form ablöste
und in die Höhe ging. Die BbAEusche Presse bildet den Uebergang zur
eisernen Presse, zwar sind die Hauptbestandtheile noch von Holz, aber
die feineren, mit dem Drucke in unmittelbarer Verbindung stehenden,
haben bereits mancherlei Eisenbestandtheile aufgenommen. Der Um¬
stand, dass hundert Jahre nach der Verbesserung der Presse durch
Blaeu diese Verbesserung in Nürnberg noch nicht eingeführt war,
mag den anscheinenden Anachronismus entschuldigen, mit welchem
ich in Nr. 115 die Presse von 1721 vor die Presse von 1620 (Nr. 116)
stellte, thatsächlich steht in Nr. 115 die alte Presse der neuen vom
Jahre 1620 gegenüber.
In Deutschland war bereits im XVII. Jahrhundert die Fractur
die allgemeine Gebrauchsschrift geworden und hatte die Schwabacher
verdrängt, welche nur mehr wegen ihres fetteren Charakters zur Aus¬
zeichnung von Wörtern benützt wurde. Proben der Fracturschrift des
XVII. JahrhundertsgebenNr.97 (S.300), Nr.133 (S.385), Nr. 135 (S.388)
und Nr. 136 (S. 400). Aber daneben verwendeten die deutschen Buch¬
drucker die Antiqua undCursiv zu lateinischen Werken, und in Fremd¬
wörtern wurde der fremde Stamm und die deutsche Endung durch
Antiqua- und Fracturlettern unterschieden. Die Folge dieses Dualismus
war, dass die deutschen Buchdrucker genöthigt waren, viel mehr
Schriften in ihren Offleinen vorräthig zu halten als die Buchdrucker
anderer Länder, welche die nationalen Schriften abgeschafft hatten,
um die Antiqua fast ausschliesslich zu verwenden.
Den Bestand einer kleinen Druckerei zeigt der Schuldbrief des
Simon Grüngrass, laut welchem er am 23. Juli 1601 die Druckerei des
Johann Fabricius zu Hermannstadt für 300 Gulden übernahm, wobei
Schriften im XVII. Jahrhundert.
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ei' sich verpflichtete, die restirenden 250 Gulden in sechs Jahren abzu¬
zahlen. „In welcher Druckerey ich funden hab nicht mehr denn vier
abgiess Schrifften, ein gross Antiqua, ein gross hangend Cursiua, ein
mittel Cursiua vnd ein klein Antiqua vnd es kan nichts mer an tag
kommen, wo noch etzliche nützliche Instrumente hieher gehörend
hinkommen sind.“
Am 19. August 1693 lieferte der Wiener Schriftgiesser Pancraz
Lobinger dem Hermannstädter Rathe folgenden Kostenvoranschlag für
die Einrichtung einer Druckerei:
„Im gus arbeith vndt Materi Cicero Fractur
1.
Der Centner pr. 40 fl., thut 1V2 Centner
60 fl.
Die Matrizzen dazu
40
V
2,
Teutsche mittl Fractur Matrizzen
40
V
3.
Teutsche Fractur Schrifft in gus Matrizzen
40
n
Den Centner 34 fl., thut 11/г Centner
51
V
4.
Teutsche Garmondtschrifft Centner 44 fl., thut 1V2 Centner
56
n
Matrizzen darzu
40
J»
5.
Teutsche Petit Schrifft */2 Centner
30
я
6.
Noten 1/z Centner
30
я
7.
Versalien 24 Pfundt
15
n
8.
Corali vndt Rösslein 20 Pfundt
15
V
Summa . 427 fl.“
Unter den Versalien sind jedenfalls Initialbuchstaben zu ver¬
stehen, welche noch immer, theils einfach, theils verziert, zu Capitel-
anfängen gebraucht wurden. Corallen und Röschen hiessen die Ver¬
zierungen der Einfässlinien, von denen Nr. 133 eine Probe zeigt. Die
Schriftsetzer des XVII. und XVIII. Jahrhunderts verstanden mit diesen
einfachen Figuren manchen künstlerischen und geschmackvollen archi¬
tektonischen Aufbau herzustellen, wie die Proben in Gessners „So
nöthigen als nützlichen Buchdruckerkunst“ zeigen.
Ein vollständiges Verzeichniss der in Deutschland üblichen
Schriften dürfte folgender von Professor Dr. Th. Schott in Stuttgart
im „Archiv für den deutschen Buchhandel“154 mitgetheilter Preistarif
der'Schriftgiesserei des .Jeremias Stenglin in Augsburg vom Jahre 1693
enthalten: