.350 Presspolizei in Amerika. Pressfreiheit in den Niederlanden.
In Nordamerika herrschte gleichfalls keine Pressfreiheit. Die
Aeltesten von Massachusetts hatten ein wachsames Auge auf die
Presse und Hessen weder in Glaubens- noch in bürgerlichen Angelegen¬
heiten besondere Freiheit aufkommen. 1662 ernannte der Magistrat
besondere Censoren (licensers) und 1664 wurde ein Gesetz erlassen,
dass ausser der in Cambridge bestehenden Buchdruckerei (S. 357) keine
andere im Bereiche seiner Jurisdiction angelegt werden solle. Später
wurde doch gestattet, in Boston eine Officili zu errichten, aber diese
stand auch unter Aufsicht. Charakteristisch für die Stimmung der
damaligen Zeit ist der Brief des Gouverneurs von Virginien, Sir William
Berkeley an die Lords des Ausschusses für die Colonien, 1671: „Ich
danke Gott, dass wir weder Freischulen noch Buchdruckereien haben
und hoffe, dass wir sie auch in hundert Jahren noch nicht bekommen,
denn die Belehrung hat Ungehorsam, Ketzerei und Sectenwesen in der
Welt hervorgebracht und die Buchdruckerkunst hat diese sowie
Schmähschriften gegen die Regierung verbreitet, Gott behüte uns vor
beiden.“
Nur in den Niederlanden > welche sich 1609 als unabhängig
erklärt hatten, wurden der Buchdruckerkunst keine Schwierigkeiten in
den Weg gelegt, sie vielmehr sowie die Wissenschaft aufs beste gepflegt.
Dieses kleine Land besass fünf Universitäten: Leyden, Franecker,
Utrecht, Groningen und Horderwyk, und das 1632 zu Amsterdam
gegründete Athenaeum illustre hatte fast den Rang einer solchen.
Hieraus erklärt sich die Bedeutung, welche sich Holland durch zwei
Jahrhunderte auf typographischem Gebiete bewahrt hat.
XI. ABSCHNITT.
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST
IM XVII. JAHRHUNDERT.
ROSSE Sterne am Buchdruckerhimmel hat Deutschland im
XVII. Jahrhundert nicht aufzuweisen. Die trüben Zeitverhält¬
nisse Hessen keinen Unternehmungsgeist entstehen, vergeblich habe
ich die Biographien der ehrenwerthen Männer, welche in Ernestis und
Gessners Schriften, meist mit Portraits versehen, enthalten sind, durch¬
gemustert, um etwas zu finden, was von allgemeinem Interesse wäre ;
aber doch wäre es auch verfehlt, zu glauben, dass das XVII. Jahrhundert
geradezu einen Rückschritt darstelle. Sieht man von den Holzschnitten
ab, die in diesem Jahrhundert fast ganz durch den Kupferdruck ersetzt
wurden, so standen die Buchdruckereien an Reichthum der Schriften,
an Druck und Papier dem XVI. Jahrhundert nicht nach, im Gegentheil
findet man griechische, hebräische und orientalische Schriften sogar
in Offlcinen kleiner Städte (s. S. 380) vorhanden. Es gab wohl keine
Druckerei, die nicht Antiqua, Gursiv, Fractur, Schwabacher und
griechische Lettern besass und die Preiscourante der Schriftgiesser,
welche an anderer Stelle folgen werden, beweisen, dass diese Schriften
in vielen Graden vorhanden waren. Deutschlands Typographie bietet im
XVII. Jahrhundert, soweit nicht der dreissigjährige Krieg jede Thätigkeit
erstickte, das Bild eines schlichten bürgerlichen Strebens, und einer
stillen aber stetigen Ausdehnung.
Das folgende chronologische Verzeichniss der in Deutschland
neu entstandenen Druckorte ist auf Grund des FALKENSTEiNschen Ver-