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Presspolizei in England.
kein Buch gedruckt oder nachgedruckt werden durfte ohne Einwilligung
des Verfassers. Um diese Zeit gelangte eine undatirte Petition an das
Parlament, worin gegen die Privilegien der Genossenschaft und die
Gewährung von Patenten protestili wurde, indem dadurch die Bücher
zum Nachtheile der Drucker unverhältnissmässig vertheuert würden.
Die Republik erhielt die Censur aufrecht, 1643 wurde ein Committee
of Examinations eingesetzt, welches die Läden und Druckereien zu
durchsuchen, „scandalose“ Bücher wegzunehmen, das Material zu
zerstören und Meister und Gehilfen zu verhaften hatte; im selben Jahre
wurden zwölf Gensoren für theologische, vier für juridische, fünf für
medicinische, einer für heraldische Bücher und einer für Flugschriften
ernannt und keine Druckschrift durfte ohne Druckerlaubniss erscheinen.
Vergebens hielt Milton 1644 eine zündende Rede zu Gunsten der
Pressfreiheit, welche unter dem Titel „Areopagitica“ erschienen ist;
im Jahre 1647 wurden sogar die Verordnungen der Sternkammer
erneuert, ohne dass ein Protest der Buchdrucker erfolgte, welche
wahrscheinlich das Ueble mit dem Guten annahmen, da diese Ver¬
ordnungen sie vor Concurrenz schützten. 1649, 1652, 1656 folgten
Verordnungen gegen Winkeldruckereien und Pamphlete. 1659 richteten
die Gehilfen eine Petition gegen das Bibelmonopol an das Parlament.
Karl II. erliess 1662 ein ausführliches Pressgesetz, in welches
alle früheren Beschränkungen aufgenommen wurden. Ich hebe nur
folgende Bestimmungen hervor, welche bisher nicht erwähnt wurden:
Druckerherren und Schriftgiessereibesitzer sollen Sorge tragen, dass
ihre Gesellen Beschäftigung haben; hat ein Geselle keine Arbeit, so
muss er auf sein Begehren in eine Druckerei aufgenommen werden,
wenn der Drucker keine Gesellen hat und selbst oder mit Lehrlingen
arbeitet. Gesellen (journeymen bedeutet auch „Taglöhner“), welche
Arbeit nicht annehmen oder dieselbe vernachlässigen, sind mit drei
Monaten Gefängniss zu bestrafen, Druckerherren dürfen nur Engländer
und Freemen (freie Leute, Meister), éowie Söhne von solchen, als Lehr¬
linge beschäftigen. Die Drucker mussten drei Pflichtexemplare abliefern,
eines für die königliche Bibliothek, und zwei für die beiden Universi¬
täten. Die Stadt York war von diesem Gesetz ausgenommen. Dieses
Pressgesetz rief mehrere Petitionen, jedoch ohne Erfolg hervor.
Verfolgung von Schriftstellern und Hinrichtung von Buchdruckern. 349
Jakob II. erneuerte die letzterwähnte Verordnung, ebenso William
und Mary 1692.
DieStrafen, welche gegen Schriftsteller und Buchdrucker verhängt
wurden, waren mitunter sehr grausam. Leighton, ein Geistlicher der
schottischen Kirche, wurde, weil er sich in seinen gedruckten Schriften
äusserst grobe Ausfälle gegen die englische Kirche und ihre Geistlichen
erlaubt hatte, 1630 degradirt, ausgepeitscht, auf der Wange mit den
Buchstaben S S (sower of sedition, d. h. Aufruhrstifter) gebrandmarkt,
dann wurde ihm ein Ohr ab- und ein Nasenloch aufgeschnitten, nach
acht Tagen dieselbe Strafe noch einmal an ihm vollzogen und er
schliesslich in ein Gefängniss gebracht, aus welchem er erst nach
zehn Jahren auf Befehl des Parlaments befreit wurde. Dem Juristen
Prynne wurden, weil er in einem Buche gegen das Theater, namentlich
gegen das damals beginnende Auftreten von Frauenzimmern auf der
Bühne geeifert hatte, die Ohren abgeschnitten, sein Buch verbrannt und
er ins Gefängniss gebracht; da er hier wiederum heftige Schriften
abfasste, wurde er sowie zwei andere Libellisten verurtheilt am Pranger
zu stehen, 5000 Pfund Busse zu zahlen und gefangen gehalten zu
werden. Auch sie wurden erst 1640 durch die Revolution befreit.
Unter Karl II. wurden die Buchdrucker John Twyn und Simon
Dover, der BuchhändlerTHOMAS Brewster und der Buchbinder Brooks
am 20. Februar 1663 angeklagt, eine „Abhandlung über die Ausübung
der Gerechtigkeit, welche eine Pflicht für den Magistrat und das Volk
ist,“ theils gedruckt, theils an der Veröffentlichung mitgewirkt zu haben.
Ihre Strafe war eine barbarische. Twyn wurde zuerst gehängt, dann
noch lebend abgeschnitten, hierauf schnitt man ihm die Glieder ab,
riss ihm die Eingeweide aus dem Leibe und verbrannte sie vor seinen
Augen, schliesslich schnitt man ihm den Kopf ab und viertheilte seinen
Körper. Die anderen wurden begnadigt, nachdem sie zweimal am
Pranger mit einem Zettel auf der Brust gestanden hatten, aber so lange
gefangen gehalten, als es Seiner Majestät beliebe; ausserdem wurde
Brewster zu 100 Mark, Dover und Brooks zu 40 Mark Geldstrafe
verurtheilt.149
Im Jahre 1694 verschwend die Censur aus der Reihe der engli¬
schen Institutionen, aber die Verfolgung der Presse währte fort.