266
Die Familie Etienne. Wechel.
Geistlichkeit, welche ihn 1552 nöthigte, aus Paris zu fliehen und sich
nach Genf zu begeben, wo er zur reformirten Kirche übertrat und noch
mehrere Werke druckte. In einem hier gedruckten Neuen Testamente
nahm er die Eintheilung der Capitel in Verse vor, welche er auf die
1556/57 gedruckte lateinische Bibel anwendete, und die nach 1592
auch in der römischen Bibel angenommen wurde. Er starb 1559. Sein
Sohn Heinrich II. druckte 1557—1569 für den Augsburger Patrizier
Ulrich Fugger, dann in Paris, er soll 74 griechische, 58 lateinische und
3 hebräische Werke gedruckt haben, er selbst schrieb den Thesaurus
linguae graecae und starb arm im öffentlichen Krankenhause zu Lyon.
Die Nachrichten über ihn lauten sehr widersprechend, nach Lesser
hatte Robert seine Bibliothek demjenigen seiner Kinder vermacht,
welches in Genf bleiben würde und Heinrich, der katholisch geworden
war, von der Erbschaft ausgeschlossen, gleichwohl lässt Lesser diesen
Heinrich aus Paris fliehen, wobei die Aeusserung bei dem Uebergang
über die Alpen im Winter zu der Zeit, als sein Bild in Paris verbrannt
wurde: „es habe ihn nie so gefroren, als zu der Zeit, wo er verbrannt
wurde,“ sowohl dem Robert wie dem Heinrich in den Mund gelegt
wird. Am wahrscheinlichsten ist die Erzählung Falkensteins, dass er
in seiner Jugend Reisen gemacht habe, von Fugger in der Anlegung
einer Druckerei unterstützt wurde und durch die Herausgabe des
berühmten Thesaurus linguae graecae ruinirt worden sei, weil ein Gehilfe,
Johann Scapula, ohne Vorwissen seines Principals, einen Auszug aus
demselben veröffentlichte, welcher den Verkauf des Hauptwerkes lahm¬
legte , so dass Heinrich Etienne in tiefe Armuth gerieth, herumreiste
um neue Hilfsquellen zu suchen und hiebei zu Lyon im Krankenhause,
starb. Paul, ein Sohn des vorigen, druckte in Genf 1593—1626; der
letzte der Familie, Robert III., starb 1674, achtzig Jahre alt, im Hôtel
Dieu zu Paris. Eine andere Buchdruckerfamilie gründete Christian
Wechel, der eine Reihe trefflich ausgeführter Werke in französischer,
griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache herausgab. Als An¬
hänger der neuen Lehre musste er Frankreich verlassen und liess sich
in Frankfurt am Main nieder, wo er bis 1554 thätig war; sein Sohn
Andreas Wechel, der in Paris geblieben war und als Buchdrucker und
Buchhändler grosses Ansehen genoss, musste ebenfalls 1573 Paris
Wechel. Turnèbe. Néobar. Gourmont. Gryphius. Dolet.
267
verlassen, ging nach Frankfurt am Main, dann nach Hanau, wo er 1600
starb. Johann Wechel druckte schon 1583 in Frankfurt mit seinem
Vater, sein Geschäft wurde von seinenErben fortgesetzt. Adrian Turnèbe
(1552—1585), Professor zu Paris, wurde aus Liebe zur Wissenschaft
Buchdrucker. Er war ein Bücherwurm, der bei seiner Hochzeit Braut
und Gäste im Stiche liess, um sich in seine Studirstube zu begeben.
Konrad Néobar wurde griechischer Drucker des Königs und druckte
als sein erstes griechisches Werk einen Commentar über die Rhetorik
des Aristoteles 1539; er starb im folgenden Jahre. Robert Gourmont
ist als Drucker des Werkes Cliamp fleury bekannt, welches der Buch¬
händler Geofroy Tory herausgab, und von welchem noch später die
Rede sein wird. Gilles Gourmont ist der erste, welcher auf des
Professors François Tissard Betrieb im Jahre 1507 griechische und
1508 hebräische Werke druckte.
In Lyon begann Sebastian Gryphius, ein Deutscher von Geburt,
dessenBruder Franz Gryphius bis 1540m Paris druckte, seine Thätigkeit
mit einem Gebetbuche in hebräischer, griechischer und lateinischer
Sprache 1528 und schloss dieselbe mit der Ausgabe des Terenz 1556.
Er druckte nur mit Antiqualëttern und Cursiv. Sein Sohn Anton
Gryphius führte des Vaters Geschäft in würdiger Weise fort. Etienne
Dolet, wie man glaubt, ein natürlicher Sohn Franz I., Dichter, Redner,
Humanist, später Buchdrucker, machte seine Studien in Paris, Padua
und Toulouse, wurde wegen Streitigkeiten aus letzterer Stadt verwiesen.
Er begab sich nach Lyon, um seinen Commentar zur lateinischen Sprache,
für welchen er nach langwierigen Bemühungen ein Privilegium erhalten
hatte, durchGRYPHius drucken zu lassen. Dieses Werk wurde derGegen-
stand heftiger Angriffe. Damals waren die Gelehrten in zwei Parteien
gespalten, in die der Ciceronianer und der Anticiceronianer. Dolet,
w eich er an dem Streite als Ciceronianer theilnahm, zog sich nicht nur
den Hass seiner Gegner, sondern durch seine geistige Ueberlegenheit
auch den Neid seiner Freunde zu. Man dang Meuchelmörder gegen
ihn, aber Dolet gelang es, diese umzubringen; er musste fliehen, wurde
von Franz I. begnadigt, trotzdem ins Gefängniss geworfen urid wieder
befreit. 1538 begann er zu drucken und wollte sich ganz seinem
Geschäfte und seiner Familie widmen, aber der Streit entbrannte von