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Mechanische Vervielfältigung der Bücher vor Gutenberg.
d. h. „Durch die kunstreiche Erfindung des Drückens und des Typen-
machens“, wobei der Druck in erster Reihe genannt wird. Campano,
Bischof von Teramo, rühmte von dem römischen Buchdrucker Ulrich
Han: imprimit iile die quantum vix scribitur anno,2 d.h. „er druckt in
einem Tage soviel als man kaum in einem Jahre schreiben kann“, legte
also das Gewicht auf die Zahl der mittelst der Buchdruckpresse gelie¬
ferten Druckbogen. Dass die späteren Buchdrucker das unterscheidende
Merkmal ihrer Bücher, nämlich die Schönheit der von ihnen selbst
erzeugten Typen rühmten, und nicht den allen gemeinsamen Druck, ist
natürlich, beweist aber nicht, dass man die Erfindung der Presse nicht
gewürdigt habe, höchstens könnte es den geläufigen Setzer-Irrthum
beweisen, dass das Drucken keine Kunst sei, womit jedoch kein
verständiger Buchhändler übereinstimmt. Mit Dr. v. d. Linde stimmt
nur Pomponius Laetus überein, der an den Schatzmeister des Papstes
Paul II., Augustin Maffei, schrieb: „Es gibt eine Menge Leute, welche
durch ihre Fähigkeit, Bücher zu drucken, edlen Ruhm zu erlangen
hoffen, was seit mehreren Jahrhunderten vergessen war und seit kurzem
wieder erneuert worden ist“,3 von Matth. Lunensis zu schweigen, der
in einem Werke De rerum inventoribus sagte, die in Deutschland wieder¬
erfundene Buchdruckerkunst sei nichts Neues, denn nach St. Cyprian
habe schon Saturn in Italien Bücher drucken und Münzen prägen
gelehrt.4 Den mythischen Saturn können wir beiseite lassen, aber
Pomponius Laetus hat jedenfalls nur oberflächlich geurtheilt, indem er
die neue Buchdruckerkunst für dasselbe hielt, was man früher zur
mechanischen Herstellung der Bücher verwendete.
Nach einer Stelle im Plinius dem älteren (Hist, natur. XXXV.
с. П. de imagin.) soll M. T. Varrò eine Vervielfältigungsart angewendet
haben, um Porträts mit Legenden von 700 ausgezeichneten Personen
zu vervielfältigen, das Buch ist aber nicht auf uns gekommen, und wenn
Deville (1847) meint, es sei gravirtes Relief gewesen, Müller (1830)
und Didot (1851) Holztafeldruck wie bei den Chinesen, Laborde (1840)
Patronen vermuthet,5 so sind das nur müssige Vermuthungen. Bevor
die Europäer mit den Orientalen zusammenkamen und von ihnen den
Kattun- und den Spielkartendruck lernten, kannten sie nur zwei Arten
der mechanischen Vervielfältigung: diePatronen und den Stempeldruck;
Patronen.
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beide unterscheiden sich nur dadurch, dass in den Patronen die Buch¬
staben ausgeschnitten, beim Stempel die Buchstaben erhaben ausge¬
arbeitet sind, beide haben das Gemeinsame, dass die Buchstaben einzeln
nach einander gedruckt, respective gepinselt werden können, das ist
auch Druck, aber nicht Buchdruck im modernen Sinne des Wortes.
Patronen und Stempel sind uralt. Die alten Aegypter bedienten
sich der Patronen für die Ausschmückung ihrer Tempel und Grab-
mäler und der Todtentruhen. In den Grabmälern waren alle Bilder
symmetrisch vertheilt und in den Grabkammern findet man unvollen¬
dete Arbeiten, in denen die Figuren nur in Umrissen abgebildet sind,
worauf sie ausgeführt und schliesslich mit Farben versehen wurden.
Von den Aegyptern mag der Gebrauch der Patronen stammen, welche
unsere Zimmermaler noch jetzt verwenden, und welche auch die alten
Römer kannten. Ebenso werden jene altgriechischen und altrömischen
Inschriften, welche sich durch das Ebenmass der Formen auszeichnen,
mit Patronen vorher aufgepinselt worden sein. In welchem Grade die
Patronen zur Herstellung von Büchern verwendet wurden, ist nicht zu
ermitteln, man brauchte nur die Lücken, welche die Patronen bei
Kreisen und Rechtecken nöthig machen, mit der Feder auszufüllen, um
jede Spur der Patronenarbeit zu verbergen. Dass Kaiser und Notare
sich zu Unterschriften der Patronen bedienten, ist offenbar, sie brauch¬
ten die Art ihrer Unterschrift nicht zu verbergen. (Die Griechen nannten
diese Patronen Hypogrammoi, die Römer Laminae interrasiles.)6 Bemer¬
kenswerth ist, dass Schaab 7 die Mainzer Klosterbücher für geschrieben
hält, die schon vor ihm von Heinecken8 und Breitkopf als mit Blech¬
patronen hergestellt erkannt wurden. Der letztere sagt: „ich habe drei
auf diese Art sehr schön gefertigte Bücher im grössten Folio (aus den
Jahren 1757—1758) in dem Chor der Kirche des Karthäuserklosters zu
Erfurt gefunden, welche in dem aufgehobenen Karthäuserkloster zu
Mainz gemacht und von da nach Erfurt gebracht worden sind, man
hat mir versichert, dass in dem Karthäuserkloster bei Mainz bei 60
Alphabete solcher ausgeschnittener Blechpatronen vorhanden seien.“9
Der Stempel bedienten sich bereits die alten Babylonier, um
ganze Inschriften in die Ziegelsteine zu drucken, von ihnen erhielten
die Aegypter mit der Bereitung der Ziegelsteine dasselbe Verfahren,