246 Agitation gegen die Buchdruckerkunst. Pflichtexemplare. Bücherverbote.
Franz I., worin sie auseinandersetzte, dass, „um die Religion, welche
von allen Seiten angegriffen und erschüttert werde, zu retten, es uner¬
lässlich sei, durch ein strenges Gesetz die Buchdruckerkunst aus ganz
Frankreich zu verbannen, welche jeden Tag eine Unendlichkeit von
gefährlichen Büchern gebäre.“ Der König widerstand, Dank den Vor¬
stellungen des Erzbischofs zu Paris, Jean de Bellay und des Guillaume
Budé; als aber Placate an allen Mauern von Paris angeschlagen wurden,
welche Beleidigungen gegen die Messe enthielten, zögerte der König
nicht länger, und am 13. Jänner 1534 gab er Befehl, alle Druckereien
in Frankreich zu schliessen bei Strafe des Galgens. Das Parlament
jedoch vertheidigte die Buchdrucker, lehnte es ab, den Befehl zu
registriren und machte Vorstellungen. Der König nahm sie gnädig auf.
Am 26. Februar überreichte der Advocat des Königs neue Briefe,
durch welche die früheren Befehle des Königs aufgeschoben und das
Parlament beauftragt wurde, 24 Personen vorzuschlagen, unter denen
der König 12 als Censoren auswählte. Von daher datiren die Vorsichts-
massregeln gegen die Presse und der Ursprung des Brevet. Der Stand
der Buchdrucker, welcher bis dahin frei war, wurde privile girt.114
Im Jahre 1538 wurde dem königlichen Buchdrucker Néobar
befohlen, von jedem Buche ein Exemplar an die königliche Bibliothek
abzuliefern, damit, wenn ein Buch verloren ginge, dasselbe nach diesem
hinterlegten Exemplar neu gedruckt werden könne. (Dies ist der
Ursprung der Pflichtexemplare, welche in Deutschland erst 1606 ein¬
geführt wurden.) Im Jahre 1556 wurde den Buchdruckern befohlen, von
jedem Werke, welches sie mit königlichen Privilegien druckten, ein
Exemplar auf Velin und gebunden an die königliche Bibliothek abzu¬
liefern. Dieser Befehl soll von der Diana von Poitiers, welche schöne
Bücher liebte, veranlasst worden sein.
Im Jahre 1540 wurden nach Dupont folgende Bücher in Frank¬
reich verboten : Erasmus, Enchiridium militis christicmi. Melanchthon, De
corrigendis studiis. Stangen-Dorphan, Christianae studiosae juventutis etc.
Bonalfosci, De doctrina et institutione puerorum. Im Jahre 1542: Calvin,
De l’institution de la rèligion chrétienne. Im Jahre 1542 wurden die
sorgfältigsten Nachsuchungen bei Buchdruckern, Buchhändlern und
bei Privaten vorgenommen, um Bücher gegen den Glauben zu entdecken.
Zu Seite 240.
Ein Beitrag
zur
Bibliographie der verbotenen Bücher.
X J-.m den von Dupont angeführten unvollständigen Titel: Christianae
studiosae juventutis ergänzen zu können, wendete ich mich an den
Scriptor der k. k. Hofbibliotliek, Herrn Dr. A. Göldlin von Tiefenau,
welcher mir schon öfter in zuvorkommendster Weise Bücher, deren Titel
ungenau oder unrichtig angegeben.waren, eruirt hatte. Nach vielem Nach¬
schlagen wurde wohl einSTANGEN gefunden, der möglicherweise ein solches
Buch geschrieben haben konnte, aber das citirte Werk war bei demselben
nicht angegeben. HerrDr. Göldlin setzte hierauf dieNachforschungen nach
dem Buche fort und es gelang ihm festzustellen, dass Duponts Stangen-
Dorphan ein Lesefehler und in Wahrheit der Humanist Christoph
Hegendorff war, wie andererseits dessen Bonalfosci der Karthäuser
und bekannte Medicus Otto Brunfels, wie die folgende aus C. Duplessis
d'Argentrés Collectio judiciorum de novis erroribus, Lutetiae, Paris 172S,
entnommene Stelle beweist. Da, am Ende des ersten Bandes, im Index
sententiarum Parisiensis Scholae, seu Decretorum a Magi stris Parisiensis
Academiae ordinatorum adversas novos errores pag. X, col. 1 — 2 heisst es:
„Item, eadem die ultima Januarii, congregata Facúltate per juramentum
apud S. Mathurinum, posi missam de Spirita, sancto, anno Domini 1539 (hoc
est 1540 civili more) audita Relatione Dominorum deputatorum ad instantiam
reverendi in Christo Patris ac Domini Domini Ludovici Gaillard Carnutensis
Episcopi super libro Erasmi, cui titulus est: Enchiridion militis Christiani,
lectisque ibidem ex eo midtis tum scandalosis, tum haereticis, censuit eundem, ut.
Rei Christianae perniciosum, esse suppirimendum. Audita etiam eorumdem
Deputatorum Relalione super libellis, quibus est titulus : De corrigendis studiis
MdanchÜion, Christiana studiosae juventutis institutio, per Hengemlerphum
cum adjuncto de doctrina et institutione puerorum Bronsfelsii; lectisque ibidem
ex Ulis midtis, tum scandalosis, tum a consuetis studiis ad inconcessa avocantibus
censuit eosdem, ut juventud perniciosos, esse supprimendos“.
Nach Renouard lautet der Titel jener von den vielen Ausgaben,
welche zunächst corpus delicti sein mochte: Christiana studiosae juventutis
Institutio, per Christophorum Ilegendorphinum. De disciplina item et institutione
puerorum Othonis Brunsfelsii Paraenesis. Parisiis ex officina Roberti Stephani
1537, II. Cal. Julii 8°. Die Schrift erschien übrigens in derselben Officin im
Jahre 1545 wieder. Die k. k. Hofbibliothek besitzt einen Druck aus Troyes
vom Jahre 1542.
Beiblatt zu Faulmanns „Ulustrirter Geschichte der Bnchdruckevkimst“,