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Presspofizei in Deutschland.
Der oben erwähnte Andreas Osiander erklärte dem Rathe zu
Nürnberg, als ihm dieser im Jahre 1587 einen Verweis für die ohne sein
Vorwissen erfolgte Veröffentlichung einer Schrift ertheilte, „er lasse
sich die Hände nicht binden.“ Dagegen erkaufte der Buchdrucker
Nikolaus Wolrab zu Leipzig, der im Jahre 1539 wegen des Drucks
einer Postille ins Gefängniss geworfen worden war, seine Befreiung
aus demselben mit der Unterwerfung seiner Verlagsthätigkeit unter
die Censur des Superintendenten und des Bürgermeisters der Stadt.
Ueberhaupt nahm der katholische Stadtrath zu Leipzig die Censur-
verpflichtung sehr ernst; am 10. Mai 1539 wurde den drei Leipziger
Buchdruckern Nickel Schmidt, Michel Blum und Valentin Schumann
mit Ernst verboten, nichts neues zu drucken oder ausgeben zu lassen,
sie hätten es denn zuvor dem Rathe angezeigt; am 9. August desselben
Jahres wurden zwei Rathsmänner beauftragt, alle acht Tage zu den
Buchführern zu gehen und nachzusehen, „ dass nichts denn dem Evan¬
gelio gemässe gedruckt werde.“ Nach dem Tode Georgs wurde aber
Leipzig ebenfalls eine protestantische Stadt.
Im Jahre 1540 wurde in Belgien ein Verbot gegen „ärgerliche
und verführerische Bücher, Gedichte und Schmähschriften“ erlassen.
Auf dem Reichstage zu Regensburg unter Karl V. 1541 wurde
das Verbot der Schmähschriften erneuert. „Ferner haben wir befunden,
dass die Schmähschriften, so im heiligen Reiche hin und wieder an
mehreren Orten ausgebreitet werden, dem gemeinsamen Frieden nicht
wenig hinderlich und verletzlich sind, auch zu allerhand Unruhe und
Weiterung gelangen möchten“ u. s. w.
In Karls V. „Ordnung und Reformation guter Polizei“, welche
auf dem Reichstage zu Augsburg im Jahre 1548 angenommen wurde,
heisst es im Titel XXXIV: „ so finden wir doch, dass ob derselben
unserer Satzung gar nichts gehalten, sondern, dass solche schmähliche
Bücher, Schriften, Gemälde und Gemächte, je länger, je mehr gedichtet,
gedruckt, gemacht, feilgehalten und ausgebreitet werden.“ Alle
Buchdrucker im Reiche wurden bei Niederlegung ihres Handwerks,
auch einer schweren Pön verpflichtet, dass sie „keine Bücher, klein
oder gross, wie die Namen haben möchten, im Druck ausgehen lassen
sollen, dieselben seien denn zuvor durch ihre ordentliche Obrigkeit
Presspolizei in Deutschland.
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eines jeden Ortes oder ihre dazu Verordneten besichtigt und der Lehre
der christlichen Kirche, dessgleichen dem Abschiede des Reichstages,
allhie, auch anderen hievor gerichteten Abschieden, so demselben jetzt
allhie gemachten Abschiede nicht zuwider sind, gemäss befunden.“
— — „Bei gleicher Pön sollen auch die obgemeldten Buchdrucker
schuldig und verpflichtet sein, in allen Büchern, die sie also mit Zu¬
lassung der Obrigkeit hinfüro drucken werden, den Autor oder Dichter
des Buches, auch seinen, des Druckers Namen, dessgleichen die Stadt
oder das Ort, da es gedruckt wurde, unterschiedlich und mit Namen zu
benennen und zu vermelden und sollen nicht allein der Verkäufer
oder Feilhaber, sondern auch der Käufer und andere, bei denen solche
Bücher, Schmähschriften oder Gemälde, pasquillisch oder anderer
Weise, sie seien geschrieben, gemalt oder gedruckt, befunden werden,
gefänglich angenommen, gütlich oder, wo es die Nothdurft erfordert,
peinlich befragt werden, wo ihm solche Bücher, Gemälde oder Schriften
hergekommen seien, doch wo vor dieser Zeit etwa dergleichen Bücher,
Gemälde oder Schriften hinter einen gekommen und also hinter ihm
geblieben wären, der soll darum nicht gefährdet werden, aber dennoch
schuldig sein, so er die befände, dieselben nicht weiter auszubreiten,
zu verschenken oder zu verkaufen und also vorige Schmach wieder
zu erneuern, sondern abzuthun oder dermassen zu verwahren, dass sie
niemand zur Schmach gereichen oder gelangen mögen.“
Dieses Gesetz, welches jeden Besitzer eines der in so unklarer
Weise als verboten bezeichneten Bücher mit Folterqualen bedrohte,
wenn er nicht freiwillig den ihm oft persönlich unbekannten Verkäufer
verrieth, ist jedenfalls das ärgste, was auf dem Gebiete einer nutz¬
losen Gesetzgebung geleistet wurde, indem dadurch wenigstens ein
Drittel aller lesenden Deutschen auf das schwerste bedroht wurde.
In Bayern wurde im Religionsmandat vom 15. Juli 1548 wieder¬
holt eingeschärft, Bücher und Schriften, welche von päpstlicher Heilig¬
keit und dem Stuhle zu Rom als verführerisch erkannt und sonst der
kirchlichen Lehre entgegen sein möchten, nicht in den Häusern zu
dulden und zu verkaufen; wer dawider handle, solle als Verächter der
christlichen Kirche, der kaiserlichen Majestät und der Landesfürsten
an Leib und Gut gestraft werden.