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Initiale und Randleisten.
Probe der ersten Textseite etwas verkleinert bringt, liegen Holzschnitte
zu gründe, wie sich beim Photographiren deutlich herausstellte.
Dieses Werk ist ein kostbarer Pergamentband und ein Muster der
Miniaturmalerei, in typographischer Beziehung eine schlechte Arbeit.
Der Text ist mit Linien nach Art der Manuscripte durchzogen, welche
die schlechte Zurichtung der Buchstaben, die so wenig Linie halten,
wie in Merlins Prophezeiungen, nur noch besser erkennen lassen.
Haarsträubende Worttheilungen wie bla-me, a-ura, Abstehen von
Buchstaben wie aue c, ent rer, schwankende Orthographie wie fueillet
CXXV, fueilet CXXVI, feullet CXXVU, feuillet CXXV1I1, feullet
CXXIX, feullet CXXX, (man beachte, dass diese Columnentitel unmit¬
telbar aufeinander folgen) zeigen die Setzerei in den Windeln, wozu
noch der merkwürdige Umstand kommt, dass die Spalten ungleich in der
Breite sind, eine sogar am Fusse um eine Petit schmäler als oben ist !
Man hat behauptet, dass die Setzer im XV. Jahrhundert festgenagelte
Winkelhaken gehabt hätten; das ist bei diesem Factum unmöglich
anzunehmen.
Auch diese Randleisten waren nicht immer Originalarbeiten, man
setzte aus verschiedenen vorhandenen Stücken solche Einfassungen
zusammen, wie dies 2. B. das schöne Gebetbuch Livre des heures von
Pigouchet in Paris, für den Buchhändler Simon Vostre gedruckt, von
welchem Nr. 72 eine Probe gibt, zeigt. Die unteren Stücke sind aus ver¬
schiedenen Theilen gebildet, das Eckstück mit der Kabirenfigur hat sich
im Druck gelockert und steht von dem oberen Theile ab. Dass die
Figuren dieser Seite für das Gebetbuch gezeichnet waren, ist billig zu
bezweifeln, obgleich die tanzenden Bauern noch immer passender sind,
als der auf mancher Seite vorkommende splitternackte Mann.
Noch roher und unpassender sind die Randleisten zu dem von
Caxton 1490 gedruckten Gebetbuche : The fifteen O’s (vgl. Nr. 78). Wie
man sieht, sind die Leisten auf allen.Seiten zu kurz.
Dagegen bietet Nr. 74 ein Meisterwerk in Zeichnung und Holz¬
schneidekunst aus der Officin der Brüder Giovanni und Gregorio de
Gregoriis zu Venedig 1498. In diesen Randleisten lebt die herrliche
römische Decorationsmalerei auf, welche wir aus den Ruinen von Pom¬
peji kennen und die vielleicht auch in manchen italienischen Palästen