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Holzschnitte.
Wenn Falkenstein dieses Buch, welches erbeschreibt, gesehen
hätte, so würde er sich wohl nicht zu folgender Tirade haben verleiten
lassen: „Vielleicht ist dieser (er spricht vom Drucker) durch obiges kost¬
spieliges Werk, worin er eine herrliche Probe seiner Holzschneidekunst
abgelegt, bei gleicher Härte der Gläubiger, wie gegen Gütenberg, öko¬
nomisch zerrüttet zur Auswanderung oder zur Abtretung seiner Druck¬
werkzeuge genöthigt worden, denn sein Name kommt nicht wieder vor. “
Wir legen dieses Product bibliothekarischer Belesenheit lächelnd bei
Seite, in der Ueberzeugung, dass sich Sebastian Pfister durch den
Abdruck der zwei Holzschnitte, die wohl kaum von ihm selbst ge¬
schnitten sind, obwohl sie nichts weniger als eine herrliche Probe der
Holzschneidekunst zeigen, unmöglich ruinirt haben kann.
Ein anderes, in dieser Art interessantes Werk ist die von Peter
Schöpfer 1492 gedruckte Sachsen-Chronik, welche mit dem Ursprung
der Welt beginnt. Schöffer hatte sich wahrscheinlich vom Maler Erhard
Rewich 3 bis 4 Städtebilder, ein paar Ritter-, ein paar Damen- und ein
paar Bischofsbilder (Kniestücke) machen lassen und mit Hilfe dieses
Dutzends Bilder war er nun in der Lage, getreue Abbildungen von
Städten des Alterthums, wie des Mittelalters, von Königen, Fürsten.
Grafen sammt ihren Frauen, von allen Erzbischöfen und Bischöfen zu
geben. Das macht ihm heute keiner nach. Natürlich sieht Rom ebenso
aus wie Salzwedel und Goslar, Halberstadt wie Münster, Hamburg wie
Hildesheim, sie unterscheiden sich nur durch das eingesetzte Wappen
und den Namen, denn man verstand recht gut, Stücke aus Holzschnitten
auszuschneiden, um Namen u. dgl. einsetzen zu können. In gleicher
Weise zeichnen sich die Portraitbilder durch ihre Uebereinstimmung
aus. Die Todtenschlafen, und dieDamen, welche hier abgebildet waren,
haben sich .wohl auch nicht im Grabe umgekehrt, wenn Schöffer oder
sein Gehilfe sie beliebigen Männern als Gattinen zutheilte; die drei
Bischöfe unterscheiden sich genügend durch die Art, wie sie den Hirten¬
stab tragen, nach vorwärts oder nach rückwärts gewendet oder über die
Schulter, jeder dieser Bischöfe vertritt natürlich ein Dutzend Portraits.
Damit man nun nicht glaube, dass blos die Deutschen so naiv
waren, so erlaube ich mir, zu bemerken, dass beispielsweise das fran¬
zösische Buch „Die Prophezeiungen Merlins“ mit drei Holzschnitten
Initiale und Randleisten.
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illustrirt ist, welche ziemlich häufig wieder¬
kehren ; der eine stellt eine Schlacht, der zweite
eine Belagerung, der dritte einen Edlen mit
Gefolge dar. Wo von einer Schlacht die Rede
ist, setzte der Setzer die Schlacht-Illustration hin,
den Leser störte es nicht, dass immer ein und
derselbe Ritter tödtlich verwundet wird. Neben¬
bei bemerkt, zeichnet sich dieses Werk durch
einen Schwung der Zeilen aus, welcher von der
soldatischen Geradlinigkeit anderer Bücher sehr
absticht; Falkenstein ist entzückt von den (in
Holz geschnittenen) Titelzeilen, welche so flach
geschnitten sind, dass die Zwischenräume ihren
Antheil an der Farbe dem Papier übergaben,
das typographische Auge kann an dem elenden
Satze kein Gefallen finden.
Zu den Arbeiten der Holzschneidekunst
gehören auch die Initiale und Randleisten.
Auch diese scheinen mir älter als der Buchdruck.
Die Gleiclimässigkeit der gemalten Initiale in
Handschriften und Büchern kann nur daher
rühren, dass sie entweder patronirt oder so
vorgedruckt wurden, wie die Initiale noch jetzt
auf die Wäsche vorgedruckt werden. Die letztere
Art glaube ich in Schöffers Psalterinitialen zu
finden. Nr. 71 zeigt die erste mir bekannte Rand¬
leiste, sie ziert die erste Seite des von Sweyn-
heym und Pannartz zu Subiaco 1465 gedruckten
Lactantius und war offenbar vorgedruckt, um
später ausgemalt zu werden, ebenso wie die
Leiste und das Initial von Nr. 68. Viele gemalte
Leisten in Büchern verrathen durch ihre Regel-
mässigkeit eine solche vorgedruckte Unterlage,
nur wurde die Farbe meist so dick aufgetragen,
dass alle Spuren des Holzschnitts verschwanden.