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Aiitiqualettern.
Es ist bereits oben (S. 208) erwähnt, dass Gering und seine
Genossen zu Paris, so lange sie für die Professoren der Sorbonne arbei¬
teten, mit Antiqua druckten. Ein Facsimile davon zu geben, hielt ich
für unnöthig, da der Charakter der Antiqua wenig Unterschiede zeigt.
Wie Jenson die gothische Schrift verbessert hat, so verbesserte er
auch die Antiqua, ich glaube, dass ihm der Ruhm gebührt, den man in
dieser Beziehung dem Aldus Manutius, seinem Nachfolger, zuschreibt.
Jenson war Schriftschneider, Manutius war ein Gelehrter und unter¬
nehmender Buchhändler.
Bezüglich der Orthographie der Antiquabücher ist von Interesse,
dass Sweynheym und Pannartz im Lactantius Schluss-s anwendeten,
in der Bibel nur f und i ohne Punkte, ln dem von Gering gedruckten
Werke des Gasparinus Pergamensis kommen f und s ohne Consequenz
vor: Primos ecce librof.
Die Antiqua fand, wie bereits erwähnt wurde, nicht unbedingte
Anerkennung, sie kämpfte lange Zeit mit der Gothisch, wie sie noch
bis heute in Deutschland mit der Fractur kämpft. Für die elegante
Einfachheit hat nicht jeder Sinn und daher wurden die eckigen Schriften
oft vorgezogen. So sagen Colonna und Manthen zu Venedig, dass ihre
Gothisch „ein edler Charakter“ sei, Joh. Herbort sagt, sie „sei der ein¬
nehmendste und fraglos alle anderen übertreffende Charakter“, der mit
gothischen Lettern druckende Nikolaus Prévost sagt, sein Buch sei
„mit den schönsten und für die schöne Literatur passendsten Typen“
hergestellt. Chevalon sagt, seine Gothisch sei „ der feinste und modernste
Charakter“.94
Unsere jetzige römische Cursiv wurde im XV. Jahrhundert noch
nicht zum Drucke gebraucht. Lesser90 führt zwar zwei Bücher auf, die
mit Cursiv gedruckt sein sollen, aber in einem derselben, Joh. Ant.
Campanis Werken (Rom, gedruckt bei Eucharius Silber & Franck) fand
ich neben dem Antiquatexte nur eine gothisch gedruckte Vorrede und
dasselbe dürfte bei dem 1477 gedruckten Werke Alvarottis der Fall
gewesen sein.
Ueber die Herstellung griechischer Lettern ist mit sehr viel
Unkenntniss geschrieben worden. Jeder Fachmann wird einsehen, dass
man, um einige griechische Wörter setzen zu können, nicht Punzen
Griechische Lettern.
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geschnitten, Matrizen geschlagen und Lettern gegossen haben wird. Eine
so sorgfältige Letternherstellung konnte erst platzgreifen, wenn es sich
um die Drucklegung ganzer griechischer Bücher handelte. Bezüglich der
ScHöFFERSchenTypen habe ich bereits oben (S. 165) nachgewiesen, dass
esinMetall geschnittene Lettern waren, wobei man auch dieBuchstaben
der lateinischen Schrift zu verwenden suchte. Die im Lactantius vorkom¬
menden griechischen Buchstaben sind ebenfalls in Metall geschnitten,
nicht gegossen. In den zu Rom von Sweynheym und Pannartz gedruck¬
ten Briefen Gigeros ist der Raum für die griechischen Sentenzen leer
gelassen, um dieselben handschriftlich einzuzeichnen, sie müssen daher
die Lettern zum Lactantius in Subiaco zurückgelassen haben. Jensons
Cicero zeigt zwar sehr schöne griechische Buchstaben, es ist aber doch
nicht anzunehmen, dass Jenson diese circa 40 Lettern gegossen habe,
ein so geschickter Stempelschneider wie Jenson vermochte in Schrift¬
zeug ebenso rein zu schneiden, wie in Stahl. Somit können die ersten
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Nr. 67. Alphabet der griechischen Typen des Dionysius Paravisinus, Mailand 1476.
(Facsimile nach dem Original.)
gegossenen griechischen Lettern nur diejenigen sein, mit welchen
Dionysius Paravisinus zu Mailand 1476 die griechische Grammatik des
Constantin Laskaris druckte.
Nr. 67 zeigt das Alphabet dieser Schrift mit ihren sonderbar ver¬
zierten Capitalbuchstaben. Die Grammatiken der damaligen Zeit unter¬
scheiden sich wesentlich von den jetzigen. Sie waren in der Sprache
des Landes geschrieben und für Einheimische bestimmt. So ist der
Donat nur in lateinischer Sprache, die Grammatik des Laskaris ganz
in griechischer Sprache abgefasst, den griechischen Seiten steht eine
lateinische Uebersetzung gegenüber. Paravisinus druckte noch mit
wenig Ligaturen, noch einfacher war der Satz der Florenzer Antho¬
logie mit Capitallettern, aber mit Accenten. Die treueste Nachahmung
der griechischen Handschrift mit ihrer Masse von Ligaturen lieferte
Aldus Manutius mit den von Franz von Bologna geschnittenen Typen,