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Einleitung.
Gutenbergs Apotheose.
soll dieses Werk ein Ehrenbuch der Typographie werden und der Idee
des nachstehenden Holzschnitts des Meisters Gübitz entsprechen, auf
welchem sich die Söhne von vier Jahrhunderten um den Meister scha¬
ren, mit dem in Ehren gehaltenen Banner ihrer Kunst in der Hand.
In dieser Hinsicht unterscheidet sich das vorliegende Werk von
den meisten bisherigen Geschichten der Buchdruckerkunst, welche mit
den Wiegendrucken (Incunabeln) abschlossen. Mit diesen mag das
Nr. 1. Holzschnitt von Gubitz aus dem Jahre 1859.
Interesse der Bibliothekare und der Raritätensammler erlöschen, der
Buchdrucker hat aber andere Fragen an die Geschichte zu stellen, ihm
schwebt vielleicht auch die Idee eines früheren paradiesischen Zustan¬
des vor, wo seine Vorgänger, in Gold und Silber gekleidet, den Degen
an der Seite, adelgleich ein lustiges Leben geführt hätten. Die Aufgabe
des Geschichtsschreibers ist es, diese Frage zu beantworten, die Licht-
Einleitung.
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und Schattenseiten früherer Verhältnisse darzulegen und die Bezie¬
hungen zwischen dem socialen Leben und den Druckerzeugnissen zu
erörtern, auch nicht davor zurückzuscheuen, manche schöne Illusion
zu zerstören. Der Verfasser des vorliegenden Werkes befindet sich in
der angenehmen Lage, fern von dem Streite zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern sich ein ruhiges Urtheil zu bewahren, er wird es
als keine Unverschämtheit betrachten, wenn die Buchdruckergesellen
eine „ausgiebigere Kost“ verlangten, wie er andererseits nicht ver¬
schweigen wird, wenn übermüthige Gesellen sich über Moral und
Sitte hinwegsetzten und durch Völlerei und Raufereien ihr „freies
Künstlerthum“ demonstriren wollten oder durch lüderliche Arbeit
Druckerherrn und Autoren in Gefahr brachten. Wenn die Geschichte
lehrt, dass Privilegien und Postulate nicht vor Arrnuth schützen, dann
wird mit richtigeren Augen auch die Gegenwart angesehen werden,
wo die Gewerbefreiheit zwar den Kampf um das tägliche Brod geschärft,
dem strebsamen Arbeiter aber auch bessere Gelegenheit gegeben
hat, sich selbständig zu machen, ohne dass er genöthigt ist, mit der
Druckerei eines Vorgängers auch dessen hinterlassene Witwe in Kauf
zu nehmen.
Interesse dürften auch dieRegierungsmassregeln erregen, welche
bezüglich der Druckereien getroffen wurden. Für uns haben sie weniger
ein politisches als vielmehr ein fachliches Interesse. Dieselbe Fürsten¬
hand, welche Buchdrucker mit Ehren überhäufte, warf sie auch in den
Kerker und liess sie hinrichten, indem man sie für die Meinungen der
Autoren verantwortlich machte. "Von Seite der Buchdrucker war es
andererseits gerade nicht immer der Eifer für die Aufklärung oder'
Freiheit, welcher sie in Gefahr brachte, sondern die rein mercantile
Erwägung, dass mit Parteischriften leichter Geld zu verdienen sei, als
mit wissenschaftlichen Werken, welche kostspielige Typen nothwendig
machten und doch keine starken Auflagen hatten. Ernstlich zu bekla¬
gen waren dabei nur die Arbeiter, welche unverschuldet ins Verderben
kamen, da sie doch auf die Annahme oder Ablehnung von Manu-
scripten nicht bestimmend einwirken konnten.
Auch die politischen Ereignisse können in der Geschichte der
Buchdruckerkunst nicht unbeachtet bleiben. Im XVII. Jahrhundert