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Die Buchschriften des XV. Jahrhunderts.
Buchschrift des XV. Jahrhunderts bezeichnen, wie sie in Schöffers
Alphabeten der Bibel und des Durandus auftritt, Lettres de forme für
die Missalschrift (auch in den kleinen Graden), ferner unsere Gothisch
und Schwabacher, her.
Die damals in Deutschland gebrauchte Schrift war eine eckig
gewordene römische Type, in den Versalien liebte man eine Mischung
runder und eckiger Buchstaben, und ein Unterschied der Schrift
zwischen deutschen und lateinischen Texten ist nicht zu bemerken.
Ich habe, um eine vergleichende Darstellung der Schriften bei
einem und demselben Text geben zu können, eine kleine Zahl von
Bibeltexten facsimilirt, soweit die bescheidenen Grenzen dieses Werkes
es gestatten, ich muss aber an dieser Stelle mit Dr. v. d. Linde in dem
Bedauern übereinstimmen, dass noch keine deutsche Regierung, keine
Akademie und keine Bibliothek es unternommen hat, die Monumente
des Buchdrucks auch nur in der Weise zu veröffentlichen, wie sie für
die Niederlande in Holtrops Monuments typographiques des Pays-Bas,
La Haye 1868 vorhanden ist. Ein solches Werk würde auch nicht mehr
kosten, als eine Sammlung griechischer Inschriften. Aber freilich
beschäftigen sich mit der Buchdruckerkunst mehr die Staatsanwälte
als die Professoren, für welche das derbe Wort Dr. v. d. Lindes gilt:
„Eine so läppische Frage, wie die Erfindung der Typographie, steht
selbstverständlich weit unter der Würde eines zünftigen Professors.
Ja, wenn es sich um einen etruskischen Nachttopf oder um einen
versteinerten römischen Stiefel handelte, — aber ob der Dingerichs
in Nirgendshausen, oder ob der Geselle in Dingsda den typographischen
Kram hergestellt hat, das ist denn doch wahrhaftig ganz einerlei.“90
So hat auch, ausser Frankfurt am Main, keine deutsche Stadt die
Erfindung der Buchdruckerkunst durch ein Denkmal geehrt, denn die
Standbilder zu Mainz und Strassburg gelten nur dem berühmten engeren
Landsmann Gutenberg. Ich bin weit entfernt, mich nach Phantasie¬
gebilden zu sehnen, auf welche der Bildhauer den Namen Gutenberg
schreibt, damit man wisse, wen sie vorstellen sollen ; das einzige richtige
und seiner würdige Denkmal wäre eine genaue Nachbildung der Druck¬
denkmäler der deutschen Nation, herausgegeben von den berufenen
Vertretern derselben. Vielleicht gelingt es mir, in dem vorliegenden
Strassburger Lettern.
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Werke zunächst das Interesse für ein solches Unternehmen bei den
deutschen Druckerherren zu wecken, damit sie weiter nach oben
wirken; die graphischen Künste sind, wie die Tafeln dieses Buches
beweisen, reif für ein solches Werk, das der deutschen Nation zum
Ruhm und zur Ehre gereichen würde.
In Nr. 40 haben wir eine Probe von Mentels Bibeltype kennen
gelernt, es dürfte von Interesse sein, dieselbe mit der seines Con-
currenten Eggestein zu vergleichen. Die Probe Nr. 45 zeigt eine etwas
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Nr. 45. Schriftprobe und Alphabet von Eggesteins Bibeltype. Strassburg.
(Facsimile nach dem Original.)
grössere Schrift auf Parangon-Kegel (9 Viertelpetit). Einige Buchstaben
haben verschiedene Formen, so die Versalien A M P und namentlich g.
Die Buchstaben stehen manchmal ohne Grund auseinander, entweder
hatten dieselben wegen schlechten Schliessens des Instrumentes etwas
Fleisch, oder sie hatten einen nicht abgeschliffenen Grat. (Bei diesen
wie bei den meisten folgenden Bibelfacsimiles fehlt der Initialbuchstabe F
in FRater.) Die Silben in, ni, im, mi sind Ligaturen, vielleicht wurde
der Punkt nach Erforderniss auf m oder nn gelöthet, fu ist gebildet
aus fi und einem i, was schon in Nr. 40 zu bemerken ist. Eggesteins
Bibel ist ohne Datum, aber sie muss jünger sein als Schöffers
Duranditype, da Eggesteins Buchstaben dieser Type offenbar nach¬
gebildet sind.
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Nr. 46. Schriftprobe und Alphabet von Mentels deutscher Bibeltype. Strassburg 1466.
(Facsimile nach dem Original.)
Mentels deutsche Bibel aus dem Jahre 1466, von welcher Nr. 46
eine Probe gibt, unterscheidet sich mehr durch den kleinen Kegel als