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entworfen hat und deren Berechtigung zu prüfen nicht unterlassen
werden wird.
Soviel ist unter allen Umständen sicher: Deutschland kann sich
heute des unbestreitbaren Ruhmes freuen, das Vaterland des Erfinders
der Buchdruckerkunst zu sein; aber dieser Ruhm wäre ein eitler, er
müsste sich in Beschämung verwandeln, wenn man bekennen müsste,
dass Deutschland das Erbe seines grössten Sohnes nicht in gleicher
Weise gepflegt habe, wie andere Länder, wenn in Gutenbergs deut¬
schen Jüngern die Eigenschaften erloschen wären, welche in seinei
Erfindung die Bewunderung der gebildeten Welt geworden sind, wenn
es sich nicht in der Vergangenheit der Ehre, das Vaterland der Buch¬
druckerkunst zu sein, würdig erwiesen hätte, und nicht für alle Zukunft
würdig erweisen würde. In dieser Beziehung galt und gilt auch fin
Deutschland das Wort seines grossen Dichters Goethe:
Was du ererbt von deinen Vätern hast,
Erwirb es, um es zu besitzen.
Glücklicherweise ist dem deutschen Geschichtsschreiber der
Buchdruckerkunst die Beschämung erspart. In allen Jahrhunderten
seit der Erfindung der Buchdruckerkunst hat Deutschland mit andeien
Ländern gewetteifert, gute und schöne Bücher zu drucken, und wenn
auch der Franzose Paul Dupont in seiner Histoire de l’imprimerie (1854)
sagte: „In Deutschland geboren, hat die Buchdruckerkunst nie auf-
gehört, dort mit Erfolg gepflegt zu werden: die Erzeugnisse der dortigen
Presse sind immer zahlreich und im allgemeinen empfehlenswerth
durch die Genauigkeit, Correctheit und Reinheit der Texte, man erkennt
• darin dieselbe geduldige Sprachforschung, denselben Geist der ver¬
ständigen Kritik, welchen die alten deutschen Buchdrucker ihren
Arbeiten entgegenbrachten, und der sich auf ihre Nachfolger vererbt
zu haben scheint, aber man muss auch zugeben, dass die Buchdrucker¬
kunst sich in ihrem Geburtslande nicht zu ihrer höchsten Vervollkomm¬
nung erhoben hat; dieser Ruhm war Italien und Frankreich Vorbehal¬
ten;“ so musste er doch schon auf der nächsten Seite seines Werkes
bekennen: „Aber die kaiserliche Staatsdruckerei zu Wien, welche mit so
viel Erfolg die neuen Erfindungen auf die Buchdruckerkunst anwendet,
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hat sich besonders auf dieser (Londoner) Ausstellung ausgezeichnet:
die zahlreichen und bewundernswertben Erzeugnisse der Holzschneide¬
kunst, der vertieften und erhabenen Gravure, der Stereotypie, der
Lithographie, des typographischen Farbendrucks, der Photographie,
der Galvanoplastik etc., welche sie eingesendet hat, haben die all¬
gemeine Bewunderung erregt, und sie hat die Medaille der höchsten
Auszeichnung verdient. “
Ein Deutscher, Alois Sennefelder, war es, welcher der Buch¬
druckerkunst eine nützliche Schwester, die Steindruckerkunst, zuge¬
sellte, und ein anderer Deutscher, Friedrich König aus Eisleben, der
bei J. G. I. Breitkopf in Leipzig die Druckerei erlernte, hat durch seine
Erfindung der Schnellpresse Gutenbergs Werke die Krone aufgesetzt.
Neidlos kann man zugestehen, dass diese letzte Erfindung nur durch
den Unternehmungsgeist und durch die politische und commercielle
Weltstellung Englands ins Leben gerufen werden konnte, denn es
handelt sich hier nicht darum, Deutschland allein zu verherrlichen.
Der Patriotismus hat nur soweit Berechtigung, als er Selbst¬
achtung lehrt und zum Streben anspornt, er darf nicht blind sein gegen
das allgemeine Beste; die Interessen der Typographie sind dieselben an
der russischen wie an der amerikanischen, an der französischen wie an
der deutschen, an der englischen wie an der italienischen Presse, sie
geben Anlass zu innigerer Gegenseitigkeit, wo die Gleichheit der Schrift
hinzutritt, wenn die Verbesserung des Typenschnitts, die in einem Lande
hervortritt, sofort dem anderen dienstbar gemacht werden kann und
diese richtige Erkenntniss ist auch die Ursache, dass die deutschen
Buchdrucker, obgleich sie stolz auf ihre nationale Fracturschrift sein
können, doch dem Zuge der Gleichheit folgen und die allgemein ver¬
breitete römische Schrift immer mehr bevorzugen.
Nicht als Deutsche, sondern als Buchdrucker wollen wir denn
auch dem Laufe der Geschichte folgen, dankbar die in Italien zuerst auf¬
gekommenen Antiqua-, Gursiv-und griechischen Typen ins Auge fassen,
dem französischen Geschmack und der holländischen Sauberkeit unsere
Anerkennung zollen, den englischen Pressenbau und die amerikanischen
Maschinen würdigen und den nationalen Standpunkt nur soweit fest-
halten, als es sich um die Richtigstellung von Ansprüchen handelt. So