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Signete
Adrian Frutiger hat in Paris zur Bearbeitung und Beratung
von typografischen Aufgaben und spezifischen Schriftpro¬
blemen ein eigenes Atelier gegründet.
Die Arbeiten des Ateliers erstrecken sich vom Entwurf
von Signeten über alle Arten von Druckerzeugnissen bis zur
Beschriftung in der Architektur. Das Team Frutigers mit sei¬
nen beiden Mitarbeitern André Gürtler und Bruno Pfäffli
hat sich zur Aufgabe gemacht, für seine Kunden einen typo¬
grafischen Stil zu erarbeiten, welcher sich dem flüchtigen
Einfluss der Mode sowie dem einer national geprägten
Schule zu entziehen versucht. Im Gedanken an den gemein¬
samen europäischen Markt ist es unumgänglich, Drucksa¬
chen einer Firma ein polyvalentes und den Gegenwarts¬
bedingungen gerechtes Gepräge zu geben.
Auf den folgenden Seiten sind die ersten Realisationen
von Signeten in engem Zusammenhang mit der Typografie
gezeigt. Es ist nicht zu übersehen, dass alle vorgelegten
Arbeiten aus der Groteskschrift Univers gesetzt sind: Fruti¬
ger ist der Entwerfer dieser Schriftfamilie, welche mit ihren
21 verschiedenen Schnitten dem Ausdruck unserer Epoche
entspricht.
Frutiger sagt: »Wir leben in einer Zeit der Abstrahie¬
rung, in welcher das Symbol nach einem neuen Ausdruck
sucht. Wenn ein Mühlewerk ein Signet bestellt, ergibt das
Wind- oder Wasserrad keinen glaubwürdigen Ausdruck
mehr. Die eigentliche Arbeit der Mühle besteht im Zermah-
len des Kornes zwischen zwei Massen. Eine Symbolik zu fin¬
den für diesen Arbeitsprozess ist bestimmt schwierig. Doch
wenn die Firmenmarke gelungen ist, wird sie das Gewerbe
richtig bezeichnen.
Das Geheimnis einer schönen Form liegt in ihrer Einfach¬
heit. Das beste Signet ist dasjenige, welches von einem Kind
mit einem Finger im Sand nachgezeichnet werden kann.
Die Typografie einer Drucksache soll durch ihre Anlage
die Form des Markenzeichens unterstreichen. Dieses Zusam¬
menspiel ergibt das eigentliche Firmengesicht.«
Diese Gedanken über die hier gezeigten Arbeiten möch¬
ten den Geist umschreiben, in welchem das junge Pariser
Team versucht, tägliche Gegenwartsprobleme zu lösen.
Im Zeitabstand einer Generation ist es mehr denn je not¬
wendig, auf das schriftkünstlerische und freie Werk Adrian
Frutigers hinzuweisen. Nicht nur wegen der massgebenden
Schriften, die seitdem entstanden sind, sondern ihrer Werk¬
treue und zeitlosen Qualität wegen, die in einem Meer von
Schriftbanalitäten, Kopien, Nachahmungen unterzugehen
drohen. Die Mühelosigkeit der Herstellung und Verbreitung
neuer Schriften beschert uns bändeweise abgedroschene
Platitüden und Banalitäten.
Umso wichtiger ist der Hinweis, die Besinnung, die Um¬
kehr zu den grossen Leistungen einer jahrhundertealten
Tradition und den wenigen überragenden Leistungen der
Gegenwart. Adrian Frutiger steht in der ersten Reihe.
Kurt Weidemann
1994
Kurt Weidemann (Druckspiegel)
1961
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Eine kleine Auswahl von Studienelementen für ein Signet RMN (Réunion des Musées Nationaux)...
die einfachsten Lösungen haben oftmals den längsten Werdegang