ABCDEFG a bcdefvhijtym no 81. Italika des französischen Renaissancetypus. J. Jannon, 1621. 158 ANTIQUA UND ITALIKA DES FRANZÖSISCHEN RENAISSANCETYPUS Richelieu gegründeten privilegierten und aufblühenden Imprimerie Royale hervor¬ Die ursprüngliche Jannonsche Antiqua ist allerdings selbst nur eine Version der 159
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gerufen worden war. Jannon verließ Paris daher zum zweiten Mal und wirkte als
Drucker in der Provinz Caën. Hier wurden ihm im Jahre 1642 jedoch die Matrizen
seiner Schriften konfisziert und gingen in staatlichen Besitz über, d. h. in den Besitz
König Ludwigs XIV. Jannon blieb schließlich nichts anderes übrig, als nach Sedan
zurückzukehren, wo er dann gemeinsam mit seinem Sohn Pierre wieder für die dortige
Akademie druckte. Seine Matrizen wurden inzwischen der Imprimerie Royale zur
Verfügung gestellt, deren Direktor Jean Anisson sie erstmalig im Inventarverzeichnis
der Druckerei von 1691 anführte, aber ohne Angabe des Autors. Erst als das Schrift¬
material der Imprimerie Royale, die bis dahin mit der Garamondschen Antiqua ge¬
druckt hatte, nach 1693 gegen Schriften eines neuen Stiltypus ausgetauscht wurde,
legte man Jannons Matrizen zusammen mit anderen aus der Mode gekommenen
Schriften im Lager der Druckerei im Louvre ab, wo sie, aus unbekannten Gründen
mit dem Namen caractères de l'Université bezeichnet, für zwei Jahrhunderte in Ver¬
gessenheit gerieten. Das Geheimnis ihrer Bezeichnung wurde dann zur Quelle eines
Mißverständnisses, denn natürlich ließ sich in keiner Weise eine Beziehung dieser
Schrift zur Sorbonne, der Pariser Universität, herstellen und auch nicht zu ihrem
vermeintlichen Autor Garamond. Weil es aber niemandem einfiel, die Glaubwürdig¬
keit einer solchen Autorität, wie sie die offizielle Imprimerie Royale war, die mit dem
Wechsel des Regimes ihren Namen in Nationale beziehungsweise Impériale änderte,
in Zweifel zu ziehen, gingen die caractères de l'Université als typische Antiqua Claude
Garamonds in unsere Zeit ein. Dieser Irrtum wurde um so mehr bekräftigt, als die
Druckerei der Imprimerie Nationale im Jahre 1898 einen neuen Abguß der Schrift
Jannons veranlaßte und sie als Originalschrift Garamonds anläßüch der Pariser Welt¬
ausstellung von 1900 erneut der Öffentlichkeit präsentierte (Abb. 80, 81). Eifersüchtig
über den Besitz dieses nationalen Schatzes wachend, verwehrte es die Leitung der
Druckerei den privaten Schriftgießereien, den Schnitt dieser Schrift nachzuahmen,
aber dieses Privileg war weder im eigenen Land noch jenseits der Grenzen Frankreichs
wirksam, wo bald eine Menge von Repliken der Garamond vom Schnitt der Jan-
nonschen caractères de l'Université auftauchten. Erst Mrs. В. Warde brachte - wie
bereits erwähnt - die Angelegenheit ins rechte Geleise, aber die Verwirrung in der
Bezeichnung moderner Repliken der Antiqua und Italika des französischen Renais¬
sancetypus dauert natürlich an.
Antiqua Garamonds, die sich vom Original durch geringe, nur für den Fachmann auf
den ersten Blick erkennbare Details unterscheidet. Es ist dies vor allem die viel kon¬
trastreichere Zeichnung der beiden Alphabete und die abweichende Gestaltung der
oberen Serifen der Kleinbuchstaben i, j, m, n, r, die bei Jannon zu scharfen Spitzen
zusammengedrückt sind. Scharf ist auch der Scheitel des A, und außerdem ist der
Bogen beim P in einigen Schriftgraden geschlossen. Im übrigen hielt sich Jannon in
seiner Antiqua jedoch eng an die traditionelle Vorlage, ohne seine Individualität allzu
deutlich hervorzukehren, die demnach in seinem Schnitt nur spontan zum Ausdruck
kommt. Den Spuren der Tradition folgt Jannon auch beim Schnitt seiner Italika,
in der sich besonders günstig eine spielerische Mannigfaltigkeit in den unmerklichen
Abweichungen der Neigung der Achse oder der Schäfte der einzelnen Kleinbuch¬
staben geltend macht. Hinsichtlich der Schriftzeichnung dieses Alphabets wird der