DIE DRUCKSCHRIFTEN DES RENAISSANCETYPUS
von bloßen zwei Jahren, der die ältesten Beispiele beider Schriften voneinander trennt,
und das eigene Bekenntnis Garamonds in der bereits zitierten Dedikation vorläufig
für Robert Granjon, bis eine eventuelle Entdeckung weiterer Quellen sein Primat
widerlegt oder erneut bestätigt.
Ein anderer für Granjon sprechender Umstand ist der, daß er anscheinend Spe¬
zialist im Schneiden von Italikaschriften war. Nach überlieferten Nachrichten pro¬
duzierte kein anderer Schriftgießer dieser Zeit so viele Schriften dieses Schnittes und
keiner hatte damit so viel geschäftlichen Erfolg. Granjon lieferte sie nicht nur den
Pariser und Lyoner Druckern, sondern auch über die Grenzen Frankreichs. So er¬
wähnt zum Beispiel Plantin in Antwerpen - wo sich Granjon übrigens in den Jahren
1565-1566 vorübergehend niedergelassen hatte -in seinem Inventarverzeichnis von
1563 insgesamt sechs Italikaschriften Granjons und mindestens vier weitere bestellte
er bei Granjon in den Jahren 1565-1570 und dazu einige Schriftgrade der civilité,
Antiqua und orientalischer Schriften. Mehrere Granjons Namen tragende Italika¬
schriften enthält auch das uns bereits bekannte Musterblatt der Egenolffschen Schrift¬
gießerei in Frankfurt aus dem Jahre 1592. Granjonsche Italikaschriften besaßen aber
auch andere Drucker in Antwerpen und Frankfurt, in Löwen, Basel, London, sowie
einige Drucker in Italien. Granjon selbst wirkte später in Rom, wo er auf Einladung
Papst Gregor XIII. vor allem an orientalischen Schriften arbeitete. Doch auch dort
schuf er eine Italika, wie aus den Beispielen des Schriftprobenkatalogs der vatikani¬
schen Druckerei Indice de'caratteri aus dem Jahre 1628 hervorgeht.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war es aber nicht mehr Granjon allein,
der eine Italika des französischen Renaissancetypus produzierte. Alle französischen
Schriftschneider und -gießer, die Le Bé, Sanlecque, Guyot usw., schufen eigene, im
wesentlichen aber nicht zu unterscheidende Varianten von Italikaschriften dieses
Schnittes. Als besonders typisch, insbesondere was die Vielfalt der Achsenneigung
der einzelnen Schriften betrifft, kann man sodann eine Italika aus dem Ensemble
jener Druckschrift bezeichnen, die hier unter dem Namen 'caractères de l'Université'
bereits genannt wurde.
Der Autor des Schnittes dieser berühmten Antiqua und Italika war, wie bereits
erwähnt, nicht Claude Garamond, sondern sein Nachfolger Jean Jannon, ein Schrift¬
schneider, -gießer und Drucker, dessen Name bis dahin meist ohne Beachtung über¬
gangen wurde; durch diese Entdeckung gewann er jedoch in der Geschichte der An¬
tiqua und Italika des französischen Renaissancetypus plötzlich an Bedeutung. Nach
Abschluß seiner handwerklichen Lehrzeit in Paris übersiedelte Jannon 1610 nach
Sedan, wo er Drucker an der calvinistischen Akademie wurde. Über seine parallele
Tätigkeit als Schriftschneider und -gießer legte er 1621 Rechenschaft in Form einer
Schriftprobensammlung ab, die er Espreuve des Caractères nouvellement taillez nannte
und die neben anderen Schriften auch Proben von elf eigenen Schnitten der Antiqua
und Italika enthielt. Jannon konnte jedoch über diese Schriften nicht frei verfügen,
da er vertraglich verpflichtet war, für die Dauer von zwanzig Jahren ausschließlich
für die protestantische Akademie in Sedan zu arbeiten. Wegen Differenzen mit der
Obrigkeit verließ Jannon jedoch Sedan und kehrte nach Paris zurück, wo er aber als
Lieferant von Schriftmaterial keine großen Erfolge hatte. Das ergab sich aus der
schwierigen Situation der Drucker, die durch die Konkurrenz der 1640 von Kardinal
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