DIE DRUCKSCHRIFTEN DES RENAISSANCETYPUS
senkrechten Antiqua-Versalien und der kursiven Zeichnung und Neigung des kleinen
Alphabets gebracht worden ist. Die Koordinierung der Richtung der Schriftachsen
des kleinen und großen Alphabets der Itahka war jedoch ein Ziel, das den Schrift¬
künstlern der Renaissance schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorschwebte.
Der erste, der eine kursive Neigung der Italika-Versalien versuchte, war wohl Jo¬
hann Singrenius, aber als eigentliche Übergangsform zwischen der Vicentinoschen
Italika und der nächsten Stufe ihrer Entwicklung wird heute gewöhnlich eine Schrift
angesehen, die etwa gegen 1534 in Basel entstand und darum auch die Bezeichnung
Baseler Italika erhielt. Es steht bisher nicht fest, wer der Urheber des Schnittes dieser
zu ihrer Zeit sehr populären Schrift war, deren letzte Spuren heute bei Thomas Wolff
enden, dem offiziellen Drucker der Stadt Basel. Diese Schrift ist wegen der starken
Neigung ihres kleinen Alphabets bemerkenswert, aber auch wegen der interessanten
Lösung der Zeichnung und Neigung der Versahen (Abb. 72). Im kleinen Alphabet,
das eine im ganzen schlichte Zeichnung des verhältnismäßig großen Schriftbildes auf¬
weist, läßt nur die mißlungene Letter g, deren obere Schlinge die ganze mittlere
Schrifthöhe einnimmt, aufmerken. Dagegen sind die Versahen der Baseler Itahka ein
Beleg für die Schwierigkeiten, denen sich die Schneider bei der Aufgabe gegenüber¬
sahen, das Problem ihrer Neigung zu lösen. Hinsichtlich der Baseler Itahka kann man
nicht sagen, daß diese Aufgabe erfolgreich gelöst worden wäre. Ihr großes Alphabet
ist eine kuriose Sammlung von Lettern, die in allen Winkeln sowohl mit ihren Schäf¬
ten, als auch mit der Ebene der Grundlinie des Schriftbildes geneigt sind. So stehen
zum Beispiel die Achsen der Buchstaben О und C¿ senkrecht, aber die Buchstaben
E, F, M, N und R sind so stark nach rechts geneigt, daß man ihre Achse erneut in
Richtung der Neigung des kleinen Alphabets aufrichten mußte, wodurch aber wie¬
derum ihre Basis mit einem beträchtlichen Winkel von der horizontalen Grundlinie
abweicht. Was die Form dieser Versalien anbelangt, so behalten sie mit Ausnahme
der kalligraphischen Lettern A und P die traditionelle Konstruktion der zeitgenössi¬
schen Antiqua des aldinschen Typus bei. Aber gerade diese kalligraphischen Aus¬
nahmen im großen Alphabet der Baseler Italika deuten die weitere Entwicklung der
Schriften dieser Klasse an. Trotz aller Vorbehalte kann man dieser Schrift einen be¬
stimmten graphischen Reiz nicht absprechen, der sicher den Grund für ihre nicht
geringe Beliebtheit darstellte.
Kaum eine andere Italikaschrift dieser Zeit befand sich gleichzeitig in der Hand so
vieler verschiedener Drucker. Außerhalb Basels, wo sie bei J. E. Frobenius, Isengrin
und vielleicht auch allen anderen Druckern dieses bedeutenden Zentrums des Buch¬
handels vertreten war, gab es die Baseler Italika in allen Druckereien Lyons, wo Sé¬
bastien Gryphius im Jahre 1537 das älteste datierte, völlig aus dieser Schrift gesetzte
Buch herausgab. Zu ihren Verehrern gehörten auch Christian Egenolff in Frankfurt,
Ponce Lépreux in Paris, Richard Grafton in London usw. Sehr beliebt war sie schlie߬
lich in Venedig, wo sie unter anderem Giovanni Griffio und Francesco Marcolini
besaßen, und im übrigen Italien, in Florenz, Bologna, Mantua, Padua, Rimini und
Rom (Johnson). Auch der Prager Drucker Jiri Melantrych verfügte über einen großen
Schriftgrad einer durch unausgeglichene Versalien sehr charakteristischen Version der
Baseler Italika, deren kleines g aber eine bessere Zeichnung aufweist als in anderen
Schriften dieses Schnittes.
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