DIE DRUCKSCHRIFTEN DES RENAISSANCETYPUS
der böhmischen Geschichte im 15. Jahrhundert ergaben. Die Hussitenbewegung hatte
in ihrem Programm außer sozialen Reformen auch den Kampf für die Säuberung der
degenerierten Kirche, für die kompromißlose Auslegung des Alten und Neuen Testa¬
ments und für die Rückkehr zur Lebensweise der ersten Christen, und sie war mit
ihrer Glaubensstrenge das gerade Gegenteil des weltlichen Freuden zugetanen Hu¬
manismus. Darum standen die Renaissance und die sich aus dem päpstlichen Italien
ausbreitenden Schriften des Renaissancetypus den kalixtinischen Tschechen auch in
der nachhussitischen Zeit zu stark im Geruch des Heidentums. Im Bereich der Kunst
war ein Ausdruck dieser verspäteren Stilentwicklung die jagellonische Gotik in der
Baukunst noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts und die spätgotische Malerei und Bild¬
hauerei, die erst mit dem Ende des 15. Jahrhunderts ausklangen, also zu einer Zeit,
als die Renaissancekunst in Italien schon lange ihre schönsten Früchte trug und die
schönsten Handschriften und Drucke auf dem Gebiet des Buchschaffens hervorbrachte.
Die Verbreitung der Antiqua für Texte in tschechischer Sprache wurde außerdem
durch das auch in den folgenden Jahrhunderten außerordentlich fest verwurzelte Vor¬
urteil verhindert, daß die phonetische Zusammensetzung des Tschechischen und die
tschechische Rechtschreibung mit ihrer Vielzahl diakritischer Zeichen nicht anders
als mit einer Schrift des gotischen Typus ausgedrückt werden könne. Allerdings drang
die Antiqua schließlich auch nach Böhmen vor, wenigstens als Schrift lateinischer
Texte, zu welchem Zweck sie sich auch einige utraquistische Drucker in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts besorgten. Für Texte in tschechischer Sprache blieben
Schriften des gotischen Typus bis zur Wende des 18. und 19. Jahrhunderts gebräuch¬
lich, obwohl schon früher vereinzelte, im ganzen aber mißglückte Versuche unter¬
nommen wurden, tschechische Texte aus Antiqua zu setzen. Mit einer schönen Antiqua
des venezianischen Typus waren dagegen alle tschechischen Texte in dem Werk Le¬
xicon symphonum des Zikmund Hruby aus Jeleni gesetzt, aber dieses Buch druckte
Johann Frobenius 1537 in Basel. Weder dieser sehr gelungene ausländische Beweis
der Möglichkeit, tschechische Texte aus Antiqua zu setzen, noch der heimische Ver¬
such des Kaspar Aorgus Prostejovsky von 1533 haben anscheinend zu ihrer Zeit auch
nur den geringsten Widerhall gefunden, denn zu weiteren Versuchen kommt es erst
um hundert Jahre später, freilich schon in einer Antiqua anderen Schnitts.
Die Antiqua des venezianischen Typus verliert sich um die Mitte des 16. Jahr¬
hunderts aus dem europäischen Buchdruck und verschwindet bald darauf völlig, aber
nicht für immer, denn nach vier Jahrhunderten kommt es zu ihrer Auferweckung
in jener Welle des Historismus, die der sogenannten Morrisschen Schrifterneuerungs¬
bewegung vorausging. Seit der Zeit wurde die Frühform der Antiqua, vor allem im
Schnitt Nicolas Jensons, fleißig in modernen Repliken kopiert, zunächst für den ex¬
klusiven Satz und sehr bald auch für Setzmaschinen. So geschah es, daß in der sehr
zahlreichen Reihe der mehr oder weniger getreuen Kopien die ursprüngliche Antiqua
Nicolas Jensons und die Antiqua des venezianischen Typus anderer zeitgenössischer
Drucker auch heute in bedeutendem Maß der modernen polygraphischen Industrie
dienen, was zweifellos ein außerordentlich gewichtigter Beweis für ihre Lebenskraft
und ihre seltenen ästhetischen und praktischen Werte ist. Doch die Präsenz von Schrif¬
ten des 15. Jahrhunderts im geläufigen Buchdruck unseres Jahrhunderts ist anderer¬
seits ein bedenkliches Symptom, mit dessen Gründen und Folgen wir uns bei passender
Gelegenheit noch zu befassen haben werden.
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