DIE DRUCKSCHRIFTEN DES RENAISSANCETYPUS
Tätigkeit Wendelin da Spiras läßt sich bis 1477 verfolgen; seither blieben die Nach¬
richten über ihn völlig aus.
Zu einer höchsten Vollendung, wie sie seit dieser Zeit nach der nur selten so ein¬
heitlichen Meinung der überwiegenden Mehrheit der Kenner nie mehr erreicht wurde,
führte die Antiqua des venezianischen Typus eine weitere große Persönlichkeit des
venezianischen Buchdrucks, die wiederum fremder, diesmal aber französischer Her¬
kunft war. Es handelt sich um den berühmten Nicolas Jenson, über dessen Leben wir
in den verschiedenen Handbüchern die unterschiedlichsten, meist durch historische
Tatsachen nur schwach unterstützten Legenden lesen können. Als gesichert kann
vielleicht nur gelten, daß er in Sommevoire im französischen Department Haute-
Marne (Champagne) um 1420 geboren wurde, also zur Zeit der Jeanne d'Arc in
Frankreich und der Hussitenbewegung in Böhmen. Ursprünglich Maler, war er als
Stecher in der königlichen Münze Monnaie de France in Paris tätig und später als
Münzmeister in der Münze der Stadt Tours, dem einstigen Sitz der berühmten fran¬
zösischen Kalligraphieschule. Nach der überlieferten Legende sandte der von Jeanne
d'Arc gekrönte französische König Karl VII. Jenson um 1458 nach Mainz, damit
dieser dort das Prinzip der neuentdeckten Buchdruckerkunst kennenlerne und soviel
Kenntnisse darüber erwerbe, um darin nach seiner Rückkehr nach Frankreich fort¬
zufahren. Es gibt aber weder die geringste Nachricht darüber, ob Jenson überhaupt
nach Mainz gelangte, noch steht hinreichend fest, was er in der Zwischenzeit von zehn
Jahren seit seinem Weggang aus Frankreich trieb. Bisher konnte die Vermutung noch
nicht bestätigt werden, daß er nach seiner Rückkehr nach Frankreich von Ludwig
XL, dem Nachfolger Karl VIL, ungnädig empfangen wurde, viel wahrscheinlicher
ist, daß er überhaupt nicht nach Frankreich zurückkehrte. Fest steht nur, daß Jenson
auf irgendeine Art und Weise nach Italien verschlagen wurde, wo er im Jahre 1468
bereits als Drucker in Venedig wirkte. Es ist möglich, daß er mit dem Strom von
Mainzer Druckern dorthin gelangte, die im Jahre 1462 genötigt waren, das durch die
damaligen Kriegsereignisse schwer betroffene Mainz zu verlassen. Weiter wird be¬
richtet, daß sich Jenson in den Jahren 1462-1465 wahrscheinlich bei den Brüdern des
gemeinsamen Lebens in Widenbach aufhielt, wo er zu dieser Zeit bereits seine erste
Antiqua geschnitten haben soll. Ebenso unverbürgt - obwohl recht wahrscheinlich -
ist die Behauptung, daß Jenson mit Sweynheim und Pannartz in Subiaco zusammen¬
arbeitete und am Schnitt der Antiqua Johanns und Wendelins da Spira von 1469
beteiligt war. Es wird auch nicht angezweifelt, daß Jenson notwendigerweise bedeu¬
tende vorhergehende Erfahrungen mit mehr als einem Versuch an der Antiqua ma¬
chen mußte, bevor er zu einer so vollendeten Schrift gelangen konnte, wie sie seine
venezianische Antiqua von 1470 darstellt.
In diesem Jahre verließ eine Ausgabe des Eusebius, De praeparatione evangelica
(Abb. 52) die venezianische Werkstatt Jensons, ein Druck, der aus einer neuen An¬
tiqua von so hervorragender Qualität gesetzt war, daß diese nicht nur alle Vorläufer
übertraf, sondern bis auf unsere Tage Muster einer vollendeten Druckschrift blieb.
Es liegt gar nicht so sehr an der Neuheit der Schriftzeichnung, die im wesentlichen
eine feinziselierte Variante der Antiqua Wendelin da Spiras ist, als vielmehr an den
vorzüglichen Satzwerten, durch die die Jensonsche Antiqua in der Komposition der
Seite mit bisher nicht dagewesener Deutlichkeit und Lesbarkeit, Klarheit und harmo¬
nischer Ausgewogenheit der schwarzen und weißen Farbe hervorragt. Es ist dies
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qui omnibus ui aquarum fubmerfìs cum filiis fuis iïmul ас nuribus
mirabili quodâ modo quafi fernen huáni generis coníéruatus eíbqué
utinâ quafi uiuam quandam. imaginem unitari nobis contmgat:& ht
quidem ante diiuuium fuerunt.-poft diluuium autem alü quorú unus
altüTimi dei facerdos iuftiria: ac pietatis miraculo rex iuftus lingua he
bncorú appellatus eftrapud quos nec circuncifionis nec mofaiœ legis
ulla menno erat. Quare nec iud*os(pofteris eni hoc nomen fuir)neqj
gentiles :quoniam non ut gentes pluralitatem deorum inducebantfed
hebrxos proprie nofamus aut ab Hebere ut diciü cíbaut qa id nomen
tranfitiuos fignificat.Soli qppe a creaturis naturali róne & lege ínata
no fcnpta ad cognitioné uen dei tráfiere:& uoluptate corporis cótépta
ad reAam uitam pueniffe fcnbuntkum quibus omibus preclaras lile
tonus generis origo Habraam numerádus efhcui fcriptura mirabilem
iuffitu qui non a mofaica lege(feptima eím poft Habraá generatione
Moyfes nafcitur)fednaturali fuit ratione confecutus fuma cum laude
atteftatur.Credidic enim Habraam deo ÒL reputata eil ei in iuftitiam.
Quare multarum quoq* gentium patrem diuina oracula futurü:ac in
ipfo benedicédas oes gentes boc uidelicôi ipfum quod ¿am nos uideüs
aperte pnedidum eíbcuius ¿Ile iuftiria: pcrrecboém non mofa ica lege
fed fide cóTecutus efhqui poft multas dei uifiones legittimimi genuit
filium:quem primum omnium diuino pfuafus oráculo circûcidit:ÔC
cxteris qui ab eo nafcerétur tradidit:uel ad manifcftum multitudmis
eorum futurs fignum : uel uc hoc quafi paterna; uirtutis ffigne filii re'
tinétes maiores fuos imitati conaret:aut qbufcuq; alus decaufis.Non
enim ri fcruridum nobis modo eft.Poft Habraam fihus eius Ifaac in
pietate fucceiTit:felice hac haereditate a parécibus acca?pta:q uni uxori
coniunctus quum geminos genuiffet caftitatis amore ab uxore poftea
diatur abftinuiffe. Ab ifto natus é Iacob qui ,pptcr cu mulata uirtutis
prouétum Ifrael etiam appellatus eft duobus noibus ,ppter duplicem
uirtutis ufu.Iacob eím athlerá oí exercétem fe latine dicere poffumus:
quam appellationé primii habuit:quù pracbas operatioibus multos
pro pietate labores ferebat.Quum auté iam uidtor lucbndo euafit:fi:
fpeculationis fruebat bonis: me Ifraelem ipfe deus appellarne aeterna
premia bearitudinéq; ultimam qua: in uifione dei confiftit ei largiens:
hominem enim qui deum uideac Ifrael nomen fignificat. Ab hoc.xii.
52. Eusebius, De praeparatione evangelica. N. Jenson, 1470.
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