DIE DRUCKSCHRIFTEN DES RENAISSANCETYPUS
Außerhalb Deutschlands ist die Gotico-Antiqua-Druckschrift weniger häufig. In
Paris druckten Ulrich Gering, Michael Friburger und Martin Crantz, die im Jahre
1470 den Buchdruck in Frankreich einführten, nach ihrem Abgang von der Sorbonne,
als sie ihre eigene Werkstatt L'atelier du Soleil d'Or in der Rue St. Jacques gründeten,
mit einer Gotico-Antiqua von sehr unregelmäßigem Schnitt und mit gotischen Ver¬
salien (Abb. 48a). Außerdem beschafften sie sich dann eine weitere, weniger gotische
Schrift des gleichen Typus mit ungewöhnlicher Zeichnung des Schluß-i, aber mit
recht ausgeprägten oberen Serifen an den Schäften der Buchstaben b, d, h, k, l (Abb.
48b). Mit einer Gotico-Antiqua eines etwas abweichenden Schnitts druckte Gering
auch nach der Heimkehr seiner Gesellen. Um das Jahr 1477 setzte Barthélémy Buyer
in Lyon aus einer Gotico-Antiqua, die aber wahrscheinlich fremder Herkunft war.
Fremde Schriften dieser Art zeigten sich hier und da im 15. Jahrhundert auch in
England. Im frühen böhmischen Buchdruck wurde die Gotico-Antiqua meines Wis¬
sens überhaupt nicht festgestellt.
In Italien, ihrem Geburtsland, wurde die Gotico-Antiqua als Handschrift früh¬
zeitig überwunden, und als Druckschrift kommt sie hier eigentlich spontan und in
einer schon so wenig gotischen Form vor, daß ihre Einordnung in die Schriften dieser
Klasse noch umstritten ist. Wenngleich der erste italienische Druck nach Konrad
Haebler in Rotunda schon 1462 irgendwo in Norditalien entstand, wurde die erste
Druckerpresse in Italien, von der wir sichere Nachricht haben, im Benediktinerkloster
Subiaco bei Rom eingerichtet, wo es unter den Mönchen eine bestimmte Zahl von
Deutschen gab. Vielleicht auf ihre Anregung berief der Patron dieses Klosters, der
Kardinal Turrecremata, zwei deutsche Drucker nach Subiaco, nämlich Konrad Sweyn-
heim aus Mainz, wahrscheinlich einen ehemaligen Mitarbeiter von Fust und Schöffer,
und Arnold Pannartz aus der Diözese Köln am Rhein. Diese Kompagnons leiteten
im Jahre 1465 ihre Tätigkeit mit einer Schrift ein, die nur durch ihren Gesamteindruck
eine Verwandtschaft mit den Schriften des gotischen Typus verrät. Wenn sie auch
zweifellos die Absicht hatten, eine Schrift im Geiste der italienischen Renaissance zu
schaffen, vermochten Sweynheim und Pannartz zunächst dennoch nicht ganz die go¬
tische Tradition der Schreibkunst ihrer Heimat abzustreifen, und das Ergebnis ist
demnach eine sehr schwere und enge Schrift, deren einziger Vorteil in einem genügen¬
den Zeilenzwischenraum besteht. Etwas besser, aber schon völlig der Renaissance
verhaftet ist das Alphabet der Versalien, die diese Minuskeln begleiten. Im ganzen ist
diese Schrift in ihrem Duktus sehr unbestimmt und wird wegen der unentwickelten
Serifen, der rotundaartig abgeschnittenen Schäfte und der bastardaartig engen Pro¬
portionen unter die Gotico-Antiqua eingereiht. Auch die gebrochene Zeichnung des
Buchstabens e und die große Zahl von Abkürzungen sowie das düstere, unleugbar
gotische Gesamtaussehen charakterisieren diese strittige Schrift von Subiaco als Go¬
tico-Antiqua, wenngleich hier das unziale d und das runde r nicht mehr vorkommen.
Der besondere Wert dieser Schrift Uegt aber darin, daß sie eine Vorstufe der Ent¬
wicklung darstellte, mit der sich der Buchdruck in Italien völlig von den gotischen
Überbleibseln emanzipierte. Sweynheim und Pannartz druckten mit dieser Schrift im
Laufe ihres dreijährigen Aufenthaltes in Subiaco von 1465-1467. Ihr erstes Buch war
Ciceros De oratore, das 1465 erschien (Abb. 49), aber häufiger wird ihr Lactantius
aus dem gleichen Jahre angeführt, in dem erstmalig auch die ersten guten griechischen
Drucklettern vorkommen. Aus dem Jahre 1467 stammt De civitate Dei des hl. Au-
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Sed m co genere m quo quale (ir quid ambigui ехіШс enam
ex fcripti mterpea rione Cepe cótenrio m quo nulla poreit effe
nifi ex ambiguo conrrouerfia.Há illud ipm cû fcripaì a (¡m*
tena diferepar genus quoddá babee ambigui : quod ш ex'
plicae cû еа uerba quf defune fuggefra Гипс : g bus addms
défendit Tentenna fcripti pípicuá huffe.Ex cótrahifq; ferio¬
ns fi qiúd ambígir no nouu genus nafac fed fupioris gene*
ris caufa duplicar tdqj aut nunq diuidicari poterie : aut ira
duudicabic ut referédis pterins uerbis : id fcpnl quodcúqj
defendimus fuppleae. lea ne uè unù genus m iis caufis que
4g. Cicero, De oratore. K. Swenyheim & A. Pannartz, 1465.
IL ex facer ecce cui radiar parf magna tropbei:
Cum p и га Га ri imaf Га era lauderà beane.
Candidufegredirur nicidifexercicufundif.
Axq: uerufuinum purgar in amne nouo.
Fulgencefaiafuefhfquoq; candida fignac.
Er grege de niueo gaudia pafror babet.
Addicur bac fefix concorf mercede facerdof.
Qui dare uulc domino dupla ralenra Tuo
Ad meliora rrabenfgennli errore uagancef-
Befba ne raperer munir ouife dei.
Quofpnufeua n océf mf ecera с bof modo reddit
EcclefiepaOofubere lacle finu.
50. Lactantius, Opera. K. Sweynheim & A. Pannartz, 1468.
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