KONKLUSION
DURCH DIE HINZUNAHME tschechischer Schriften wächst unsere tatsächlich
sehr enge und größtenteils auf die in den Druckereien am meisten vertretenen Schriften
beschränkte Auswahl zeitgenössischer Original-Druckschriften nichtsdestoweniger zu
einer überraschend großen Zahl. Mit den Repliken der historischen Schriften, den
Schriften im alten Stil des 19. Jahrhunderts, den verschiedenen Akzidenzschriften und
mit den Schriften, die wir aus Platzmangel oder wegen ihrer nicht sonderlich be¬
merkenswerten zeichnerischen Qualitäten übergingen, hat die moderne polygraphische
Industrie ein so reiches Repertoire von Schriftformen zur Verfügung, daß notwendi¬
gerweise Zweifel an der Nützlichkeit eines solchen Reichtums aufkommen. Wieviel
Schriften braucht eigentlich eine moderne Druckerei wirklich, um in dieser Richtung
gut ausgestattet zu sein? Updike, ein höchst berufener Kenner, sagt in seinen Printing
Types, daß jede heutige Druckerei für alle Arten von Druckerzeugnissen ganz gut
mit nur sieben Schriftarten in kompletten Serien auskommen könnte. Wozu alle an¬
deren zahllosen Schriftarten der Schriftgüß-Musterbücher? Auch daraufhat Updike
eine Antwort: "hauptsächlich deshalb, damit wir uns vor ihnen hüten!" Ist jedoch
eine Zahl von sieben verschiedenen Schriften, die Updike als notwendig erachtet,
nicht immer noch sehr groß? Könnte man nicht mit einer einzigen Schrift im kom¬
pletten Ensemble auskommen? Das wird heute, wo die Aufgaben des modernen
Druckes so vielfältig sind, zwar für unmöglich gehalten, andererseits kann aber nicht
im voraus ausgeschlossen werden, daß die Entwicklung eines Tages wieder zu einer
solchen Stileinheit führt. In der Buchproduktion scheint die übergroße Mehrzahl der
Schriftformen schon heute überflüssig zu sein, demgegenüber wird aber manchmal
eingewandt, daß es schade wäre, auf diese Vielfalt zugunsten eines einzigen Typus zu
verzichten. Das würde angebhch eine Verarmung unserer heutigen Möglichkeiten
in der Auswahl eines geeigneten Schrifttypus, sowohl hinsichtlich der verschiedenen
Anforderungen technischer Art als auch aus dem Gesichtspunkt einer angemessenen
stilgerechten Lösung der graphischen Ausstattung des gegebenen hterarischen Werkes
darstellen.
Die Schriften der modernen Druckereien unterscheiden sich in der Tat gegenseitig
in nicht geringem Maß durch verschiedene technische, setzerische und optische Eigen¬
schaften, vor allem aber durch die Ausmaße, die Breite des Schriftbildes. Wenn wir
die Alphabete von Schriften vergleichen, die im gleichen Schriftgrad gesetzt sind,
bemerken wir bedeutende Differenzen der Gesamtbreite, die häufig auch mehrere
Buchstaben beträgt. Manche Schriften sind also im Satz sparsamer und andere we¬
niger sparsam, was sich günstig auswirkt, wenn wir bei der Auswahl einer geeigneten
Buchschrift zum Beispiel von vornherein einen gegebenen Umfang des fertigen Druck¬
werkes berücksichtigen müssen. Manche Schriften wieder erfordern einen Durchschuß
zwischen den Zeilen, um graphisch optimal zur Geltung zu kommen und leicht lesbar
zu sein, während die Lesbarkeit anderer wiederum durch den Kompreßsatz nicht
vermindert wird. Ein sehr wichtiger Faktor bei der Auswahl des Schrifttypus ist die
Struktur des Druckpapiers, manche Schriften wirken auf glattem Papier besser, andere
wieder auf nichtgeglättetem oder handgeschöpftem. Auch diese Umstände werden
545