DIE LATEINSCHRIFT DER GEGENWART
seine behebte Krümmung des unteren Balkens, zog aber dessen Serife unter die Grund¬
linie. Ungleich eigenartiger ist die etwas kantige Zeichnung des kleinen Alphabets
der Antiqua und die noch etwas eckigere, aber sonst ganz kursiv gelöste Zeichnung
der begleitenden Italika, wo Menhart nicht nur erneut seine Krümmung des unteren
Zuges beim Versal Z verwirklicht, sondern auch andere Buchstaben ähnhch kalli¬
graphisch gestaltet, zum Beispiel die Versalien J und T, oder wenigstens die Schräg¬
füße der Buchstaben К und R verlängert. Mit dem Kursiven dieser Lettern sowie der
Buchstaben к und j>, ebenso wie mit ihrem gesamten Schreibcharakter kontrastiert die
Verwendung der haardünnen flachen Serifen in der Zeichnung der Versahen. Während
diese Schrift als Buchschrift konzipiert wurde, reahsierte die Staatsdruckerei für be¬
sondere Gelegenheiten ein weiteres Menhartsches Werk, die Schrift Parlament, die aus¬
schließlich für feierhche Drucke der Nationalversammlung bestimmt war (Abb. 353).
Mit ihrem Schreibcharakter gesellt sich diese Schrift zur Manuscript, obwohl man
darin eine ganze Reihe von Abweichungen feststehen könnte, den noch deuthcheren
kalligraphischen Duktus des etwas breiteren Bildes beim kleinen Alphabet, die be¬
sonderen Merkmale einiger Buchstaben, z. B. das Strichlein in der Mitte der hnken
Seite beim J. Die bisher letzte technisch ausgeführte Schrift Oldrich Menharts ist ein
Ensemble von lichten Versahen, die Monument, die von der Prager Schriftgießerei zur
Herausgabe vorbereitet wurde (Abb. 356). Inzwischen werden aber weitere seiner
Schriften vorbereitet, die bisher nicht veröffentlicht wurden und an denen der Autor
bis zu seinem Tode arbeitete. Zur Ergänzung des Profils Oldrich Menharts muß man
abschheßend noch seine in den letzten Jahren besonders reiche kalligraphische Tätig¬
keit erwähnen; sie umfaßt eine große Zahl Originale verschiedener Grußadressen und
Diplome, die schriftkünstlerisch insgesamt in dem eigenartigen Stil seines typographi¬
schen Schriftschaffens gearbeitet sind.
Nach dem zweiten Weltkrieg hat sich in der Tschechoslowakei der Kreis der auf
dem Gebiet der Schrift Tätigen erfreulich erweitert, es war aber natürhch nicht leicht,
in dem durch den Krieg wirtschaftlich verwüsteten Land auch für die Angehörigen
der jüngeren Generation augenblicklich günstige Bedingungen für die Reahsierung
von Schriften zu schaffen. Und daß die tschechische Schriftkunst in dieser Generation
eine weitaus größere Zahl fähiger Schöpfer hat, als zu erwarten war, zeigen die er¬
folgreichen Druckschriften-Wettbewerbe in den Jahren nach 1950, die Ergebnisse
wahrhaft europäischen Niveaus zeitigten. Wir können diese Übersicht aber nicht durch
neue tschechische Schriften ausweiten, da bis heute nur ganz wenige davon reahsiert
wurden und ihre Autoren, die größtenteils eher eine Verheißung für die Zukunft
darstellen, noch nicht der Schriftgeschichte angehören.
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ABCDEFGHIJ
KLMNOPQRS
TUWXYZ;i.'<2£
abcdefghijklm
nopqrstuvwyz
1234567890
ABCDEFGHIJKLMNO
PQRSTUVWXYZabcdefg,
hijklmnopf[rstuvwxyz.;>!&
i2345e7890
355- Figurai. 0. Menhart, ig40~48; Gießerei der Staatsdruckerei
in Prag.
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