DIE LATEINSCHRIFT DER GEGENWART
meist sehr deutlich das kalligraphische Prinzip im Schnitt der Druckschriften verließen,
unterstrich es Menhart dagegen in seiner Antiqua erneut und deutlich. Es ist dies also
keine gezeichnete Schrift, sondern eine geschriebene, und sie trägt alle Merkmale des
Schreibduktus. Das macht sich sowohl in den dünnen, nach den Serifen zu verstärkten
Schäften, als auch in der ungleichmäßigen, aber raffinierten und angenehmen Ver-
biegung der runden Züge bemerkbar, und besonders in der Form der links stumpf
ansetzenden und rechts angespitzten Serifen, mit denen alle Versalien versehen und
die Schäfte der Minuskeln/, h, i, k, l, m, n, p, q, r, v, w, x,y beendet sind. Als besonders
charakteristische Lettern der Menhartschen Antiqua kann man den Buchstaben A
mit dem abgeschnittenen Scheitel, das J mit der schreibmäßigen Krümmung des
Schaftes, das N mit der nach unten überragenden, waagrecht abgeschnittenen Dia¬
gonale, das Q,mit dem schönen kalligraphischen Schweif und das Z mit der sich zum
fetten unteren Querbalken verjüngenden Diagonale ansehen. Im kleinen Alphabet
interessiert der schräge Querstrich des Buchstabens e, die Krümmung des Schrägfußes
beim к sowie des starken Zuges des x. Das kleine z ist sodann das verkleinerte Bild des
Versals desselben Buchstabens. In beiden Alphabeten verdient auch die schöne Zeich¬
nung des S besondere Aufmerksamkeit. Die Italika, mit der Menhart seine Antiqua
im Jahre 1931 ergänzte, ist merkwürdigerweise im kalligraphischen Ausdruck weitaus
enthaltsamer (Abb. 351). Ihre Versalien stimmen im wesentlichen mit jenen der An¬
tiqua überein, ausgenommen die Buchstaben T und Z, deren obere Querbalken in
kalligraphischer Weise abwärtsgebogen sind. Im kleinen Alphabet bemerken wir dem¬
gegenüber die unkursive Antiquaform des g. Im Jahre 1935 ergänzte Menhart das
Ensemble seiner ersten Schrift durch eine halbfette Antiqua-Variante, die 1936 eben¬
falls von der Bauerschen Gießerei in Frankfurt auf den Markt gebracht wurde.
Die zweite Antiqua Menharts, die er 1933 im Entwurf beendete und ein Jahr später
durch die zugehörige Italika ergänzte, war für den Autor ein noch größerer Erfolg,
da sie in den Jahren 1934-1936 von der englischen Fabrik Monotype technisch aus¬
geführt und 1936 unter dem Namen Menhart Roman für Setzmaschinen herausgegeben
wurde (Abb. 352). Auch in dieser Schrift leugnet Menhart sein kalligraphisches Be¬
kenntnis nicht, obwohl er sich hier einigermaßen dem rein typographischen Schrift¬
kunststandard nähert. Als druck-, nichtschreibgemäß kann man zum Beispiel alle
unter das Niveau der Oberlängen reichenden Versalien ansehen, allerdings mit Aus¬
nahme des Z mit dem schreibgerecht gebogenen unteren Querbalken. Noch mehr
verrat das kleine Alphabet seinen Schreibcharakter mit seinem Duktus, vor allem
durch die einseitigen Serifen, die bei den ersten Zügen der Buchstaben h, k, n, ebenso
wie bei den ersten beiden Zügen des m völlig weggelassen sind. Das z hat einen noch
starker gebogenen unteren Balken, welche Form von dieser Zeit an für den schrift¬
künstlerischen Stil Menharts besonders charakteristisch wird. Völlig kalligraphisch ist
dafür die Italika mit ihrem ziemlich kantigen Duktus, allerdings wieder mit Ausnahme
der Versalien, in denen dagegen z. B. das U eine weniger kursive Zeichnung hat als
in der Antiqua, wo Menhart diesem Buchstaben seine archaische Minuskelform mit
dem zur Grundlinie verlängerten zweiten Schaft beheß. Im Satzspiegel ist diese zweite
Schrift Menharts im Vergleich zur ersten, kontrastreicheren, um vieles blasser, im
übrigen aber gut ausgeglichen und ruhig, obwohl sich beim Lesen doch ein wenig die
schriftkünstlerische Eigenart einprägt, die andererseits den Hauptgrund für den Er¬
folg dieser Schrift darstellt.
536
ABCDEFGH
IJKLMNOP
QRSTUVW
XYZ123456
7890abcdef
ghijklmnopq
rstuvwxyz&
350. Menhart-Antiqua. 0. Menhart, ідзо; Bauersche Gießerei, ідзг.