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337. Baloon Extrabold. M. R. Kaufmann; ATF, ідзд.
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338. Studio. A. Overbeek; Lettergieterij Amsterdam, ід4б.
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MODERNE GELÄUFIGE KURSIV
druckschriften von allen ihren historischen Vorläufern unterscheiden, die im Gegenteil
nur Druckrepliken der gleichzeitigen kalligraphischen Schriften waren. Noch deut¬
licher wird diese charakteristische Flüchtigkeit des Duktus bei der anderen der beiden
Schriftgattungen, den modernen Schreibdruckschriften mit undifferenziert starkem
Zug, wie dies z. B. bei der Swing Bold der amerikanischen Firma Lanston Monotype Co.
aus dem Jahre 1939 der Fall ist (Abb. 335). In Mitteleuropa werden die Schriften
dieser Art hauptsächlich von dem sehr verbreiteten, aber durch scharf abgeschnittene
Schäfte des kleinen Alphabets der schon formaleren deutschen Schrift Flott repräsentiert,
die W. S. Gillies 1935 für die Bauersche Gießerei schuf (Abb. 336). Einige Schriften
dieses Typus ahmen sodann nicht mehr eine flüchtige Federschrift nach, sondern eine
'Schreib'-Methode mit einem Pinsel oder einem anderen nicht zum Schreiben be¬
stimmten Instrument, so daß sie, besonders mit den Versahen der fetten Varianten,
sich den geneigten Grotesk- oder Blockschriften nähern, so z. B. die Schrift Balloon
Extrabold, die im Jahre 1939 von Max R. Kaufmann für die Gesellschaft American
Typefounders gezeichnet wurde (Abb. 337). Solche Schriften befinden sich dann in
unmittelbarer Nähe jener Druckschriften, die nicht eine flüchtige Kursiv, sondern eine
flüchtig skizzierte Grotesk oder Grotesk-Antiqua nachahmen, wie z. B. die Schrift
Studio von A. Overbeek, eine Neuheit der holländischen Fabrik Lettergieterij Amster¬
dam aus dem Jahre 1946 (Abb. 338). In dieser senkrechten Schrift melden sich da¬
neben auch alte Schreibtraditionen zu Wort, weil bei der Ausarbeitung der Vorlage
für die technische Ausführung eine breit zugeschnittene Feder benutzt wurde; und so
könnte man diese Schrift gleichzeitig für eine sehr freie moderne Paraphrase alter hand¬
schriftlicher Buchschriften halten.
Ein verhältnismäßig geringes Interesse - allerdings außerhalb des Kreises der un¬
mittelbar interessierten Pädagogen und einiger weniger Wiedererwecker des ausge¬
storbenen Kalhgraphenruhmes - riefen die Bemühungen um eine Reform unserer
übhchen Schreibschrift wach, Bemühungen um einen modernen Ersatz für die klassi¬
zistische Schreibschrift, die eigenthch bis vor kurzer Zeit einziges Muster des Schul¬
unterrichtes im Schreiben und in der Schönschrift war. Die Anstrengungen der John-
stonschenKalhgraphieschule,eine neue zeitgenössische Kursivschrift auf dem formalen
Buchschriftenduktus oder gar den Kodizes des frühen Mittelalters zu begründen, sind -
wie wir festgesteht haben - notwendigerweise gescheitert. Der angebotene Austausch
der Schreibwerkzeuge, d. h. der scharfen Stahlfeder des 19. Jahrhunders gegen die
breit zugeschnittene Kielfeder der klösterlichen Skriptorien, konnte natürlich zu einer
Zeit, da uns die moderne Technik andere, wahrhaft moderne Instrumente wie den
Füllhalter und die Schreibmaschine bescherte, weder vorteilhaft noch notwendig sein.
In unserer Zeit, da sich die handschriftliche Tätigkeit sämthcher Schreibstuben und
Kanzleien auf stenographische Konzepte und die Unterschriften der Schreibmaschi-
nendurchschläge beschränkt, hat jede Form von Kalligraphie ihren Sinn verloren.
Darum also muß man sich damit abfinden, daß die MODERNE GELÄUFIGE
KURSIV nicht anders sein wird, als sie sich selbst aus den Voraussetzungen der mo¬
dernen Zivilisation entwickelt. Das erste Postulat ist nunmehr, daß das Kind möghchst
deuthch, schnell und mit minimaler physischer Anstrengung schreiben lernt. Die Lehr¬
methode und eine geeignete Schriftform der modernen Kursiv wird dadurch mehr zu
einer Sache der Pädagogen als der Schriftreformatoren außerhalb der Schule, deren
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