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12 3456789
31g. Gill Sans Serif. E. Gill; engl. Monotype, 1927.
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MODERNE AKZIDENZSCHRIFTEN
Miedingers. Zum Versuch einer modernen freien Variation der historischen Vorlage -
ähnlich wie bei der Egyptienne - ist es meines Wissens im Falle der Italienne bisher
nicht gekommen.
Die modernen Schriftkünstler verschmähten auch die Grundform der Toscanienne.
Schriften mit gespaltenen Serifen kommen zwar im modernen Buchdruck hier und
da vor, dabei handelt es sich aber stets um die gleichen zwei oder drei neu abgegos¬
senen Original-Toscanienneschriften des 19. Jahrhunderts, die hier bereits angeführt
wurden, oder eine ebenso bescheidene Zahl von Kopien ornamentaler Schriften
P. S. Fourniers. Die Schriftkunst dieses Barockmeisters - oder eines anderen, J. F.
Rosarts - inspirierte einige wenige moderne, freier konzipierte Schriften dieses Typus,
wie zum Beispiel die Schrift Founder le Jeune der Schriftgießerei Deberny & Peignot
aus dem Jahre 1913, oder die Geperlte Fournier in der Zeichnung T. A. Demeters von
1922 für die Firma Schriftguß, bezw. die Schriften Vanity Fair Capitals und Old Dutch
Capitals aus dem Jahre 1926, die beide D. G. McMurtrie für die American Type¬
founders zeichnete. Von gleicher Konzeption ist die Toscanienne-Italika June der
Schriftgießerei Stephenson Blake aus dem Jahre 1927 und Goudys Ornate Title von
1931. In die Gruppe dieser Schriften kann man auch einige moderne Ensembles orna¬
mentaler Initial-Majuskeln einordnen, wie z. B. die 1935 von Eric Gill für die Mono¬
type Corporation gezeichnete, teilweise gespaltene Schrift Gill Floriated (Abb. 317).
Zu den neueren Schriften dieser Art gehört das Versalien-Ensemble Queen der deut¬
schen Schriftgießerei Gebr. Klingspor aus dem Jahre 1954, feine kalligraphische Ini¬
tialen mit konsequent gespaltenen Serifen in der Zeichnung Joachim Romanns.
Während man die graphischen Qualitäten der fetten Antiqua, Egyptienne, Italienne
und schließlich Toscanienne, dieser in vielen Fällen so nützlichen, wirkungsvollen und
schönen Schrifttypen, nicht allgemein anerkannte, wurde der neue Ruhm der Gro¬
teskschriften nahezu ohne Einwände selbst von den starrköpfigsten Predigern des Neo-
renaissance-Historismus geduldet. Das Beispiel für diese positive Haltung gab übrigens
die höchste Autorität der Erneuerungsbewegung, Edward Johnston selbst, der - wie
wir bereits wissen - eine der ersten modernen Groteskschriften zeichnete, nämlich die
Schrift für die Stationstafeln der Londoner Untergrundbahn. Die Grotesk verschwand
außerdem nie vom Schriftguß-Weltmarkt, und neben ihren Verfallsformen vom Ende
des 19. und Anfang unseres Jahrhunderts wurden immer verhältnismäßig gute Va¬
rianten der Original-Grundform herausgegeben, z. B. die deutsche, auch heute noch
hier und da benutzte Rqyal-Grotesk der Schriftgießerei H. Berthold AG aus dem Jahre
1903 und die ihr sehr ähnliche Venus-Grotesk der Bauerschen Gießerei von 1907 oder
die Reform Grotesk der Firma D. Stempel AG von 1908. Während in der Grotesk Koralle
der Leipziger Schriftgießerei J. G. Schelter & Giesecke aus dem Jahre 1913 immer
noch der Jugendstil nachklingt, stellt eine weitere derartige Schrift der Firma H. Ber¬
thold AG, die Akzidenz-Grotesk aus dem Jahre 1914, eine wiederum sehr nahe Modi¬
fikation der frühen breiten Grotesk aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dar.
Die schmalen fetten Varianten dieser Zeit vertritt sodann durchaus zufriedenstellend
die Schmale Steinschrift der Schriftgießerei J. G. Schelter & Giesecke aus dem Jahre
1907, eine immer noch in vielen Druckereien verwendete Schrift. Im übrigen Europa
und in den Vereinigten Staaten verhält es sich nicht anders.
Nach 1920, in der Anfangsperiode der konstruktivistischen Renaissance der Akzidenz-
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