DIE LATEINSCHRIFT DER GEGENWART
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Sproß der Antiqua des klassizistischen Typus uniform gehalten wurde. Dasselbe gilt
mehr oder minder auch für die hchte und durch den fetten Schlagschatten sehr plas¬
tisch wirkende Konturvariante dieser sonst so brauchbaren Schrift (Abb. 314). In
einer großen Familie von Varianten ist die 1929-30 von der Frankfurter Schriftgießerei
D. Stempel AG herausgegebene Egyptienne Memphis von Rudolf Wolf verbreitet. Sie
wirkt ebenfalls in ihrer fetten Version besser (Abb. 315), und auch an ihr kann man
einige Mängel aussetzen, z. B. die beiderseitige obere Serife des Versals A, den nicht
zur Grundlinie herabgezogenen Winkel der inneren Züge beim M, das stillos ver¬
längerte J, den zu kurzen Querbalken beim F u. a. Im übrigen ist diese Schrift durch
die beinahe konsequent eingehaltene gleiche Breite aller Züge und durch die Ver¬
wendung der einbäuchigen Form der Minuskel a interessant. Dieser Buchstabe wirkt
jedoch in der vertikalisierten, übrigens nicht sehr glücklichen schmalen Variante kei¬
neswegs gut. Viel besser ist die hchte Konturvariante, eine Schrift, die nur mit Hilfe
eines diskreten Schattens in der Richtung der horizontalen Achse die Plastizität an¬
deutet. Unter den weiteren deutschen modernen Egyptienneschriften gewann keine
eine so weltweite Popularität wie die Schriften Beton und Memphis, obwohl es darunter
auch Schriften von überdurchschnitthchen Qualitäten gibt, wie z. B. die Welt-Antiqua
von Hans Wagner, die von der Frankfurter Schriftgießerei Ludwig & Wagner im
Jahre 1931 herausgegeben wurde, eine Schrift, die - hauptsächhch mit der beidersei¬
tigen oberen Serife des Versals A - ein wenig an die Egyptienne Rudolf Wolfs erinnert.
Auf dem Schriftguß-Weltmarkt begegnen diese deutschen Egyptiennes einer schweren
Konkurrenz zahlreicher moderner amerikanischer Egyptienneschriften, unter denen
wenigstens die 1931 von R. H. Middleton gezeichnete Karnak der Firma Ludlow er¬
wähnt sei, aber auch die Schrift Girder der Continental-Gesellschaft aus demselben
Jahre, ferner die Schrift Stymie von M. F. Benton aus den Jahren 1931-1932, die von
der Gesellschaft American Typefounders und der Fabrik Monotype produziert wurde,
und schheßhch die Schrift Cairo der Fabrik Intertype aus dem Jahre 1933, die der
Memphis R. Wolfs sehr ähnelt. Das englische Zweigunternehmen der Monotype hat
seit 1934 eine große Serie der Egyptienne Rockwell herausgebracht (Abb. 316), und
auch die Schriftgießerei Stephenson Blake besitzt seit 1937 in der Scarab ihre Egyp¬
tienne. Alle diese Schriften werden freihch gleichzeitig in umfangreichen Serien man¬
nigfaltiger Varianten der Fette und Breite des Schriftbildes und gewöhnlich in Be¬
gleitung der übhchen ornamentalen konturierten und schattierten Modifikationen
geliefert. Es ist interessant, daß man in der ornamentalen Behandlung der Egyptienne
heute größtenteils nur an diesem Prinzip nachhaltig festhält. Eine ganz andere deko¬
rative Wirkung erzielten die 'Kisten'-Schriften Stencil der Gießerei Ludlow aus dem
Jahre 1938 und Tea-Chest der enghschen Firma Stephenson Blake aus dem Jahre 1939,
sehr getreue Imitationen einer Schablonenschrift in der Grundzeichnung des Typus
der sogenannten enghschen Egyptienne.
Sehr selten ist in der modernen Typographie merkwürdigerweise die Itahenne, die
uns heute in Abgüssen von den Originalmatrizen oder in getreuen Kopien der jün¬
geren Form aus der Zeit nach der Mitte des 19. Jahrhunderts zugänghch ist. Von
solcher Art ist z. B. die Schrift Barnum der Gesellschaft American Typefounders, die
Italienne der Pariser Schriftgießerei Deberny & Peignot, die Playbill der enghschen
Gießerei Stephenson Blake aus dem Jahre 1938 und die Schrift Pro Arte der schweize¬
rischen Firma Haas'sche Schriftgießerei aus dem Jahre 1954 in der Zeichnung Max
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ABCDEFGHIJ
abcdefghijklm
ABCDEFGHII12
315. Memphis. R. Wolf; D. Stempel, ідзо.
Зіб. Rockwell Open. Engl. Monotype, ідз4-
HIJ
T
LMN
31J. GUI Floriated. E. Gill; engl. Monotype, ідз§.
ABCDEFHIKMO
abcdefhiklmnop
318. Square Gothic Heavy. Ludlow, ідгу.
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