DIE LATEINSCHRIFT DER GEGENWART
modernen Schriften dieser Art kann man zusätzhch noch verschiedene 'holländische'
hchte Schriften anführen; so werden in den Musterbüchern der Druckereien nämlich
die Ensembles schattierter Konturversalien vom Typus der Schrift Lichte Holländische
Antiqua genannt, die die Brüder Butter in Dresden seit 1922 sowie andere deutsche
Schriftgießereien herstellten. Es sind dies jedoch insgesamt Varianten der Antiqua des
Übergangstypus. Eine flächige dekorierte fette klassizistische Antiqua haben wir in der
Schrift Bodoni Filettato der Mailänder Gießerei Nebiolo aus dem Jahre 1913, Majuskeln
in der Art Bodonis mit einer Andeutung von Licht an der hnken Seite der Schäfte. Mit
hchten Streifen zu beiden Seiten der fetten Züge ist die Schrift Bodoni Bold Panelled
der Fabrik Monotype verziert. Eine andere Replik ähnlicher 'glänzender' Antiqua¬
schriften des klassizistischen Typus haben wir sodann in der Schrift Kupferstich der
Leipziger Firma Ludwig Wagner. Auch verschiedene plastische Varianten der fetten
Antiqua des 19. Jahrhunderts werden neu abgegossen, darunter als wertvollste die
Originalschrift Thome Shaded der Schriftgießerei Stephenson Blake, die hier schon
früher an entsprechender Stelle angeführt wurde (Abb. 160). Eine besondere Gruppe
bilden die ornamentalen Antiquaschriften moderner Schriftkünstler, die sich nicht
mehr so ängstlich an die klassizistischen Vorbilder hielten. Von der ornamentalen
barocken Antiqua des Übergangstypus hingegen ließ sich Walter Tiemann bei seiner
rechtsseitig schattierten Schrift Narzissus der Schriftgießerei Khngspor aus dem Jahre
1921 inspirieren (Abb. 308); sie ist auch mit einem ebenso konzipierten kleinen Al¬
phabet versehen.
Sehr schwach sind in der modernen Akzidenztypographie reicher verzierte Antiqua¬
schriften vertreten, und neben alten, bisher aus Originalstempeln hergestellten Schriften
des 19. Jahrhunderts, die wir bereits angeführt haben, werden auf dem Schriftgu߬
markt der Welt nur wenige solche graphisch wertvolle Schriften angeboten. Das An¬
gebot umfaßt hauptsächhch Ensembles von Versahen annähernd klassizistischen, aber
nicht reinen Schnittes. Die Neorenaissancetendenzen kommen in den modernen orna¬
mentalen Antiquaschriften einerseits durch Kopien und seltene Originalschriften aus
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Geltung, wie es beispielsweise das Versahen-
ensemble Chisel der englischen Firma Stephenson Blake aus dem Jahre 1939 ist, oder
durch verschiedene Schriften der Anhänger der Johnstonschen Kalligraphieschule,
zum Beispiel die deutsche Schrift Maxmilian aus dem Jahre 1914, ein Werk Rudolf
Kochs (Abb. 309). Diese kalligraphisch konzipierten Versalien, obwohl zu ihrer Zeit
hochgeschätzt, veralteten sehr rasch und wirken heute unverhältnismäßig altertüm¬
licher als ursprünghche, ähnliche Schriften aus der frühklassizistischen Periode der
Akzidenztypographie des 19. Jahrhunderts. Zum gleichen Typus gehört die orna¬
mentale Variante der Schrift Metropolis, die in der Zeichnung W. Schwerdtners mit
zwei weißen Linien inmitten der fetten Züge 1932 von der Schriftgießerei D. Stempel
herausgegeben wurde. Sehr reich verziert ist dagegen die Garnitur von Versalien und
kleinem Alphabet der Schrift Ornata von 1943 aus der Klingsporschen Schriftgießerei.
Der Autor der Zeichnung O. H. W. Hadank, ließ sich hier offenbar durch Vorlagen
aus barocken kalhgraphischen Musterbüchern inspirieren, was nicht nur im Dekor,
sondern auch in der Konstruktion beider Alphabete zum Ausdruck kommt. Von den
jüngsten Schriften dieser Art müssen hier noch die flachverzierten fetten Antiqua-
Versalien Saphir genannt werden, die in der Zeichnung von Hermann Zapf 1953 von
der Stempeischen Schriftgießerei herausgegeben wurden.
488
ABCDEFGHI
JKLMNOPQR
STUVWXYZl
234567890ab
cdefghlfklmn
opqrstuvwxy
zß&cäöü
311. Superba. E. Thiele; Haas'sche Schriftgießerei, ідзг.
489