DIE LATEINSCHRIFT DER GEGENWART
Form der gotischen Majuskel, wie z. B. den Initialen Erbar der Schriftgießerei Ludwig
& Mayer in Frankfurt oder den Caxton Initials der Gesellschaft American Type¬
founders, einem Werk F. W. Goudys.
Eine reiche Auswahl bescheren uns jedoch verschiedene Akzidenzmodifikationen
früher Buchhandschriften der Renaissance. Hier ist häufig die fere humanística oder
Gotico-Antiqua vertreten, vor allem allerdings in Produktionen deutscher Schriftgie¬
ßereien, aber auch sonst gibt es diese Schriften in genügender Zahl. Selbst F. W. Goudy
zeichnete mehrere davon, seine Mediaeval aus dem Jahre 1930 (Continental Type¬
founders Association) ist eigentlich eine solche Gotico-Antiqua und wurde ebenso wie
seine Franciscan aus dem Jahre 1932 und seine Friar aus dem Jahre 1937 von der Gesell¬
schaft Lanston Monotype herausgegeben. Besonders beispielhaft unter den Schriften
dieser Art ist sodann die Jubilee, die Eric Gill im Jahre 1934 für die enghsche Firma
Stephenson, Blake & Co. zeichnete (Abb. 302). Die sehr fette Zeichnung erinnert an
die Rotunda, und rotundaähnlich ist auch das horizontale Abschneiden der Schäfte
in der Grundhnie. Das kleine Alphabet begleiten schreibmäßig konzipierte Versalien,
die nicht weniger gotisch dunkel sind und ebenfalls in der Grundlinie horizontal ab¬
geschnittene Schäfte aufweisen. Im Hinblick auf all das und hauptsächlich wegen der
im wesentlichen gotischen Zeichnung der Buchstaben X, Y, g, w, x,y muß man diese
moderne Schrift somit unter die typischen Gotico-Antiquaschriften einordnen.
In vielen modernen Ausgaben und Varianten kommt auch die humanistische Mi¬
nuskel und Majuskel vor, diese aber meist in ornamentalen Modifikationen. Unter den
zahlreichen Druckkopien der humanistischen Minuskel wird die humanistische Buch¬
schreibschrift vielleicht am besten von der englischen Schrift Bologna der Firma Ste¬
phenson Blake & Caslon aus dem Jahre 1945 wiedergegeben; sie ist in beiden Alpha¬
beten eine in der Tat außerordentlich getreue Kopie der handschriftlichen Vorgänger
der Renaissance-Antiqua. Eine sehr freie Paraphrase dieser Muster stellt dagegen die
Treyford von Graily Hewitt für die Oxford University Press aus dem Jahre 1928 dar.
Es ist wirklich beachtenswert, wie zurückhaltend dieser moderne Kalligraph in der
Zeichnung seiner Schrift war, die mit ihrer sehr formalen Zeichnung den Buchdruck¬
schriften nähersteht als der Replik einer humanistischen Skript. Eine andere sehr
interessante Paraphrase der humanistischen Minuskel ist die Post-Antiqua der Berhner
Schriftgießerei Berthold AG aus dem Jahre 1932 (Abb. 301), eine zeichnerisch sehr
edle Schrift, die wenigstens im Ensemble des großen Alphabets hier und da in manchen
Druckereien vertreten ist. Diese Versalien schrieb Herbert Post zwar mit einer alter¬
tümlich breit zugeschnittenen Feder, aber den Schein der Neuheit gab er ihnen da¬
durch, daß er die Serifen in der Zeichnung aller Buchstaben mit Ausnahme des B, D
und der oberen Serifen der Buchstaben P und R wegließ. Im kleinen Alphabet hielt
sich Herbert Post viel enger an die humanistischen Vorbilder, so daß diese Schrift
trotz aller Abweichungen als freie Imitation der humanistischen Minuskel mit Spuren
des Einflusses der Gotico-Antiqua gelten kann. Mit ihrer fetten Variante und haupt¬
sächlich mit ihren Majuskelziffern steht die Post-Antiqua ihren Vorbildern weniger
nahe. Auch die humanistische Kursiv lebte in vielen Druckrepliken wieder auf, unter
denen jene Cancellaresca Bastarda besonders getreu und virtuos aufgeführt ist, die von
Jan van Krimpen geschaffen und im Jahre 1934 von der Firma Enschedé herausge¬
geben wurde.
Mit außerordentlich zahlreichen Varianten sind in der modernen Typographie die
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ABCDE
FGHIJKL
MNOPQ
KSTUVW
XYZ
300. Felix Titling. Engl. Monotype.
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