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2g4. Weiß-Initialen. E. Weiß; Bauersche Gießerei, ідзі.
MODERNE BUCHSCHRIFTEN
wegung vor dem ersten Weltkrieg begegnet, und noch nach diesem Krieg gingen so
bearbeitete Schriften aus deutschen Schriftgießereien hervor. Besonders charakte¬
ristisch für diese typisch deutsche Richtung in der typographischen Schriftkunst ist
die Koch-Antiqua, auch Locarno genannt, die in verschiedenen zeichnerischen Modihka-
tionen in den Jahren 1922-1924 von der Schriftgußfirma Gebr. Khngspor in Offen¬
bach nach und nach herausgegeben wurde und unter der Bezeichnung Eve auch von
der amerikanischen Gesellschaft Continental produziert wird (Abb. 292). Sie ist ein
Werk Rudolf Kochs, einer führenden Persönlichkeit der modernen deutschen Kalli¬
graphieschule und Autors einer ganzen Reihe von Schriften, vornehmlich allerdings
des gotischen Typus. In Übereinstimmung mit der Lehre Edward Johnstons wollte
Rudolf Koch mit dieser Schrift dem Ideal der Schreibkunst der handschriftlichen
Kodizes und den Antiquaschriften der deutschen kalligraphischen Mustersammlungen
der Renaissance nahekommen, vor allem dem Züricher Sammelwerk von Urban Wyss
aus dem Jahre 1549. Unerschütterhch überzeugt, daß jede Schrift geschrieben und
nicht gezeichnet werden muß, wie das seit dem 16. Jahrhundert die Stempelschneider
mit ihrem Stichel taten, betonte er in jeder Beziehung den Handschriftcharakter seiner
Antiqua. Das Ergebnis dieser Bestrebungen Kochs war mehr eine Reproduktion der
Schreibschrift und keinesfalls eine eigenständige, ihrer eigenen Technik entsprechende,
vom Schreiben unabhängige typographische Schrift. Als bloßer Reproduktion einer
handschriftlichen Schrift kann man jedoch der Kochschen Antiqua bemerkenswerte
Vorzüge kalligraphischer Art nicht absprechen, nichtsdestoweniger könnte man ihr
vom Kochschen Standpunkt aus das sehr große Mißverhältnis zwischen der mittleren
Minuskelhöhe und der Höhe der Versahen vorhalten, die den Maßen der recht langen,
sich nach oben verbreiternden Oberlängen angeghchen sind. Weniger exklusiv ge¬
staltet ist die jüngere Kochsche Antiqua Marathon, die 1931 ebenfalls von der *irma
Khngspor herausgegeben wurde. Sie ist eine schon ziemlich nüchterne Neorenaissance-
Antiqua ohne begleitende Itahka, mit sehr kleinen Serifen und klassischen Proportionen
des großen und kleinen Alphabets, aber immer mit einigen kuriosen Formen, haupt¬
sächlich des Buchstabens g und der umgekehrt schattierten Minuskel y. In gleicher
Weise kalligraphisch orientiert ist die Schriftkunst F. H. Ehmckes, dessen Schriften,
die Ehmcke-Antiqua aus dem Jahre 1909, die Ehmcke-Mediäval von 1917, die Ehmcke-
Latein von 1926, die Ehmcke-Elzevir von 1927 und die Ehmcke-Brotschnß von 1928 viel¬
leicht doch mehr vom Johnstonschen Geist und von dem Bemühen verraten die eigene
schriftkünstlerische Originalität zur Geltung bringen, als das Schaffen Rudoli Kochs.
Darum haben sie sich größtenteils nicht durchgesetzt und nur selten treffen wir sie
irgendwo an. Einen Dauererfolg konnte im deutschen Lateinschriftschaffen nur eine
Änderung der schriftkünstlerischen Orientierung garantieren, was'auch durch einige
annähernd gleichzeitige deutsche Schriften bestätigt wurde, wie zum Beispiel die
zeichnerisch feinziseherte Jost-Mediäval der Frankfurter Schriftgießerei Ludwig &
Mayer eine Arbeit des bedeutenden Schriftkünstlers Heinrich Jost aus dem Jahre
1027 oder noch mehr die durch ihre Modernität und allseitige Verwendbarkeit bei¬
spielhafte und zeichnerisch ebenso konzipierte und feine Weiß-Antiqua der Firma
Bauersche Gießerei aus dem Jahre 1928, das Werk einer weiteren bed™te™^/e^
sönhchkeit der deutschen zeitgenössischen Schriftkunst (Abb. 293). Emil Rudolf Weiß,
der ursprünglich ebenfalls aus der Kalligraphenschule Edward Johnstons und A. Si¬
mons hervorging, erreichte mit dieser Schrift, ähnlich wie manche Künstler andern-
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