DIE LATEINSCHRIFT DER GEGENWART
modernen Schriftzeichnung herausgegeben. Obwohl sie eine bedeutende Buchschrift
ist, kann man von Modernität im vollen Wortsinn bei dieser weiteren Variation im
alten Stil bestimmt nicht sprechen. Van Krimpen stützt sich hier sogar auf den vene¬
zianischen Schnitt des 15. Jahrhunderts, was sich am Buchstaben e, der Verteilung der
Farbe und der Gesamtwirkung im Satz bemerkbar macht. An der alten Tradition
inspiriert sich auch das weitere Schaffen von Krimpens, aus dem man wenigstens die
erfolgreiche Schrift Romanie aus den Jahren 1929-1932 erwähnen muß, eine sehr
glückliche Paraphrase der holländischen Antiqua des 18. Jahrhunderts, die als Er¬
gänzung zu der bei der Firma Enschedé in den Originalmatrizen erhaltenen Italika
Christoffel van Dycks geschaffen wurde. Keinen geringeren Erfolg errang sich auch
die Krimpensche Schrift Romulus aus dem Jahre 1931, die gleichfalls für die Setzma¬
schine Monotype herausgegeben wurde. Sie ist eine sehr effektvolle Schrift, die mit
ihrem meisterhaften Schnitt der Antiqua und Itahka auch die Lutetia übertraf und
ihr in den fetten und schmalen Varianten ebenfalls nicht nachsteht. Höchstes Lob
kann man der Schrift Spectrum spenden, die Jan van Krimpen 1942 zeichnete und die
Firma Enschedé erst 1952 und die enghsche Fabrik Monotype im Jahre 1955 heraus¬
gab. Sie ist zwar wieder eine Neorenaissanceschrift, ragt aber zeichnerisch hervor,
besonders in der schmalen kalligraphischen Italika. Die Schrift Hollandse Mediaeval
aus der Produktion der Firma Lettergieterij Amsterdam, ein Werk S. H. De Roos' aus
dem Jahre 1912, haben wir hier schon genannt und wegen ihrer nicht alltäglichen
Qualität gelobt. Die Typographie der Welt hat auch seine Erasmus Mediaeval aus dem
Jahre 1923 günstig aufgenommen, eine von der deutschen zeitgenössischen Schrift¬
kunst stark beeinflußte und sehr magere Neorenaissance-Antiqua des venezianischen
Typus. Besser wirkt meiner Meinung nach ihre unter dem Namen Grotius herausge¬
gebene fettere Variante. Neoklassizistischen Charakter hat dagegen die Egmont von
De Roos aus dem Jahre 1933, die von der Fabrik Intertype seit 1937 produziert wird.
Sie ist sehr kontrastreich nach einer vertikalen Schattenachse modelliert und hat haar¬
feine horizontale Serifen, aber in den Proportionen und in der Konstruktion einiger
Buchstaben ist sie von Renaissancemustern abhängig. Einen ausgesprochen holländi¬
schen Spätrenaissancecharakter zeigt die De Roos Romein aus dem Jahre 1947, die
später ebenfalls von der amerikanischen Firma Intertype und außerdem von der Ge¬
sellschaft American Typefounders herausgegeben wurde. Von Renaissancevorlagen
ist die zugehörige Itahka abgeleitet, die aber meisterhaft und mit persönlichem Duktus
gezeichnet ist. Die Meisterwerke De Roos' und Jan van Krimpens stellen das Schaffen
der übrigen niederländischen Schriftkünstler weit in den Schatten. Nichtsdestowe¬
niger darf man nicht vergessen, die Schrift Emergo zu erwähnen, die für die Firma
Enschedé im Jahre 1946 von ihrem Stempelschneider S. L. Hartz geschaffen wurde.
Sie ist ein vorzügliches Ensemble von Antiqua und Italika, aUerdings im wesenthchen
abermals eine Neorenaissanceschrift, die in der Zeichnung die schriftkünstlerische
Auffassung Jan van Krimpens verrät.
In Mitteleuropa sind die modernen Schriften deutschen Ursprungs unverhältnis¬
mäßig bekannter und in den Druckereien besser eingeführt; allerdings sind sie oft von
zeichnerischen Besonderheiten mehr oder weniger belastet, mit denen sich recht ein¬
dringlich das Streben nach schriftkünstlerischer Originalität äußert. Wir sind dieser
Erscheinung bereits bei deutschen Schriften der Frühperiode der Neorenaissancebe-
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293- Weiß-Antiqua. E. Weiß; Bauersche Gießerei, ідг8.