DIE LATEINSCHRIFT DER GEGENWART
Schriften von Egyptienneschnitt über, die in den kleinsten Schriftgraden vom Stand¬
punkt maximaler Sparsamkeit und Lesbarkeit aus vorteilhafter sein sollen.
Die immer noch lebendige klassizistische Tradition der französischen Typographie
läßt es nicht zu, daß sich in Frankreich ein Historismus gleicher Art breitmacht, wie
in den angelsächsischen Ländern. Die heimischen Schriftgießereien haben zwar seit
der Zeit L. Perrins und T. Beaudoires eine ziemhche Reihe von Repliken der Gara¬
mond und der verschiedenen 'Elzevir'-Schriften herausgegeben, aber diese gewannen
weder das Übergewicht im französischen Buchdruck, noch verbreiteten sie sich über
die Grenzen Frankreichs hinaus. Auch mit ihren größtenteils recht kühnen Versuchen
einer modernen Schriftzeichnung hatten die französischen Schriftkünstler kein grö¬
ßeres Glück. Eine Ausnahme bildet nur die uns bereits bekannte Schrift Nicolas Cochin
aus dem Jahre 1913, die merkwürdigerweise - und meiner Meinung nach unverdient -
tatsächlich weltbekannt wurde. Es ist interessant, daß auch eine neuere französische
Schrift, die weitere Verbreitung in der Typographie der Welt gewann, nämlich das
von Robert Girard gezeichnete und im Jahre 1921 von der Pariser Schriftgießerei
Deberny & Peignot herausgegebene Ensemble der Antiqua und Itahka Astrée, mit
seinem zeichnerischen Charakter der Cochin nahesteht (Abb. 289). Die Astrée ist
zwar viel ruhiger und ausgeglichener, hat aber bei den Buchstaben b, d, f, h, k, l fast
ebenso langgestreckte Schäfte und im Verhältnis zur mittleren Minuskelhöhe sehr hohe
Versalien. Insgesamt stellt sie also wiederum einen nicht sehr geglückten Versuch dar,
eine moderne Buchschrift hervorzubringen, einen Versuch, dessen Ergebnis nichts
anderes ist als eine weitere moderne Neorenaissanceschrift. Sie erwarb sich jedoch
ebenfalls internationale Behebtheit, wird auch von der Schriftgußfirma Miller & Ri¬
chard geliefert und unter den Namen Mazarin von der Firma Stephenson Blake abge¬
gossen. Die neuere französische Schrift Editor, die Henri Chaix 1937 für die Fonderie
Typographique Française schuf, ist eine weitere moderne französische Buchschrift,
die auch im Ausland eine gewisse Aufmerksamkeit erregte. Ihre Zeichnung kann man
aber nicht als besonders glücklich ansprechen. Sie ist im wesentlichen eine sehr freie
Paraphrase der Schriften des klassizistischen Typus mit sehr schroffem Kontrast zwi¬
schen den schwachen und starken Zügen, mit flachen ungekehlten Serifen und außer¬
ordentlich großem Minuskelbild. Von den klassizistischen Mustern weicht sie nur in
einigen Details der Schriftzeichnung ab, die man aber nicht immer als glücklich be¬
zeichnen kann. Sie will sehr individuell und modern sein, überragt jedoch nicht das
Niveau vieler anderer ähnlicher neoklassizistischer Schriften. Ein ebenso großes Bild
hat das kleine Alphabet der Antiqua und Itahka der Schrift Vendôme, die im Jahre 1951
von Francois Ganeau für die Firma Olive geschaffen wurde. In diesem Falle handelt
es sich um eine ausgesprochene Neorenaissanceschrift mit schräger Schattenachse der
Minuskel, mit ziemhch scharfer Serifenkehlung und in der Antiqua mit deutlich gara¬
mondscher Zeichnung der Buchstaben a und e. Auf ihre Art ist sie jedoch eine ganz
hübsche Schrift, was man von ihren fetten und engen Versionen aus den Jahren 1952-
1954 nicht mehr sagen kann.
In neuerer Zeit meldete sich auch Itahen, das so lange aus der aktiven Beteiligung
an der formalen Entwicklung der Lateinschrift ausgeschlossen war, mit seinem Beitrag
auf dem Gebiet der modernen typographischen Schriftkunst. Es ist die Schrift Pas-
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28g. Astrée. R. Girard. Deberny & Peignot, ідгі.
ABCDEFGHIJKLMN
OPQRSTUVWXYZ&
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ Ö
abcdefghijklmnopqrstuvwxyz 12345-67890
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ В
abcdefghijklmnopqrstuvwxyz 1234567890
гдо. Pastonchi. E. Cotti; engl. Monotype, ідг^.
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