DIE LATEINSCHRIFT DER GEGENWART
Erwägung ziehen. Für die Bestimmung einer Schrift dieser Art ist begreiflicherweise
die vertikale Schattenachse entscheidend, der scharfe Kontrast des Strichstärkewechsels
und besonders die flachen haardünnen Serifen.
Die modernen Rephken der historischen Schriften und die modernen Schriften im
alten Stil verleihen also der zeitgenössischen Typographie die Merkmale eines über¬
wiegenden Historismus. Dieses Übergewicht wird vorläufig durch die modernen Original-
Buchschriften leider in keiner Weise gefährdet, wenn diese auch in vielen Fällen graphisch
bemerkenswerte und in der Buchdruckpraxis bewährte Schriften sind. Hinsichtlich
ihres Stils aber sind auch solche 'modernen' Schriften fast ausnahmslos, sei es mit
diesem oder jenem graphischen Element, irgendwie von historischen Mustern mehr
oder weniger abhängig. Das ist allerdings eine sehr gewichtige Tatsache, die darum
auch häufig als Argument für die Zweifel verwendet wird, ob es überhaupt möglich
ist, sich im modernen Buchschriftschaffen ohne diese Abhängigkeit zu behelfen.
Schon bei der Übersicht der modernen Kopien historischer Schriften konnten wir
feststellen, daß in der Produktion dieser Schriften die angelsächsischen Produzenten
führend sind. Das ist auch bei den modernen Original-Druckschriften der Fall. Eine
Rekordproduktivität kann in dieser Beziehung die amerikanische Schriftgußindustrie
aufweisen, die seit Beginn unseres Jahrhunderts den Weltmarkt mit Neuheiten in fast
unübersehbarer Zahl überschwemmt. Die Konkurrenz der mächtigen Schriftgußkon¬
zerne und Setzmaschinenfabriken und bis zu einem gewissen Grad auch der interna¬
tionale Wettbewerb rufen den Bedarf an ständig neuen Schriften hervor, und damit
auch eine außergewöhnhche Konjunktur der amerikanischen Schriftkünstler. Nirgends
sonst ist eine solche Zahl hervorragender Persönlichkeiten auf diesem Gebiet aufge¬
treten und dazu noch so erfolgreicher und fruchtbarer Persönhchkeiten. Allein Morris
Fuller Benton, der hier schon häufig zitierte Schriftkünstler im Dienst des Konzerns
American Typefounders, schuf zum Beispiel in den Jahren 1898-1935 an 150 Va¬
rianten von siebenundsiebzig verschiedenen Schriften. Sol Hess zeichnete in den Jahren
1910-1945 einundsiebzig Schriften und Adaptationen für die Firma Lanston Mono¬
type, für die Fabrik Ludlow zeichnete R. H. Middleton in den Jahren 1928-1942
vierundfünfzig solcher Schriften usw. Der weitaus fruchtbarste unter den modernen
Schriftkünstlern Amerikas und der Welt überhaupt war zweifellos Frederic W. Goudy
(geb. Gowdy, 1865-1947), der nur in dem einen Jahr 1930 acht Schriften verschiede¬
nen Schnittes schuf und dessen Lebenswerk die ehrenwerte Zahl von einhundertsechs-
zehn Schriften aufweist, wobei die zahlreichen, manchmal sehr abweichenden Va¬
rianten nicht mitgezählt sind. Das Werk F. W. Goudys ist nicht nur wegen dieser
überraschenden Quantität, sondern größtenteils auch wegen der außergewöhnhchen
Qualität des schriftkünstlerischen Ausdrucks beachtenswert, die nicht nur das ameri¬
kanische, sondern in bedeutendem Maße das moderne typographische Schriftkunst¬
schaffen der ganzen Welt deuthch beeinflußt hat. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn
wir den folgenden territorialen Überblick über dieses moderne schriftkünstlerische
Schaffen, einen Überbhck, der sich - wie aus den obengenannten Zahlen hervorgeht
- notwendig auf den kürzesten Auszug beschränken muß, mit einigen ausgewählten
Buchschriften dieses hervorragenden Schriftkünstlers einleiten.
Aus der Tätigkeit F. W. Goudys haben wir hier bereits einige Rephken historischer
ABCDEFGHIJiaMNOPQR
STUVWXYZ1234567890
abcdefgbijklnmopqrstuvwxyz
ABCDEFGHIJKLMNOPQR
STUVWXYZ1234567890
abcdef'ghijMmnopqrstuvwxyz
гуг. Bodoni Book. Am. Linotype, ідіб.
ABCDEFGHIJKLMNOPQR
STUVWXYZ &1234567890
abcdefghijklmnopqrstuvwxyz
ABCDEFGHLJKLMNOPQR
STUVWXYZ &1234567890
ab cdefghijklmnop q rstuvwxyz
гуз- Empinaría. A TF; Prager Schriftgießerei.
445