DIE LATEINSCHRIFT DER GEGENWART
der begleitenden Italika an die historisch bedeutsame Granjonsche Italika hielt, die
in Egenolffs Probenblatt tatsächlich eine mit dem Namen Garamonds bezeichnete
Antiqua begleitet. Als Ergänzung dieser Schrift wurde auch die fette Variante Granjon
Bold herausgegeben, die С. H. Griffith 1930 für die Firma Linotype zeichnete. Aus der
gleichen einfachen und effektlosen Vorlage des 16. Jahrhunderts entstand im Jahre
1925 die Garamond der deutschen Schriftgießerei D. Stempel AG in Frankfurt (Abb.
266), eine Schrift, die mit den Proportionen und den Satzqualitäten der Vollendung
des Originals sehr nahekommt. Dieser Rephk ist die von E. E. Bartlett gezeichnete
Garamond der amerikanischen Gesellschaft Mergenthaler Linotype aus dem Jahre 1925
in Vorlage und Ausführung verwandt. In Amerika und Europa ist auch die Replik
Garamond der Gesellschaft Intertype Ltd. aus dem Jahre 1926, eine sehr getreue Kopie
der Jannonschen caractères de l'Université, recht verbreitet. Sie zeichnet sich nicht
nur durch die charakteristische scharfe Zeichnung der Minuskelserifen aus, sondern
insbesondere dadurch, daß sie in einem umfangreichen Ensemble geliefert werden
kann, das eine außergewöhnliche Zahl von Ligaturen enthält, wo sie den Charakter
der französischen Renaissancetypographie auch in dieser Beziehung möglichst voll¬
ständig erreicht.
Eine Kopie der frühen französischen Renaissance-Antiqua der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts stellt die Schrift Estienne der Gesellschaft Linotype aus dem Jahre 1930
dar, deren Zeichnung und Erzeugung Georg W. Jones leitete. In der Antiqua ist sie
tatsächlich eine Schrift, die den alten Mustern außerordentlich nahekommt, bleibt
aber in der Italika infolge der Unterdrückung der charakteristisch lebendigen Origi¬
nalzeichnung ebenso weit von dieser entfernt. Erst im selben Jahre 1930 entschloß
sich die erste größere französische Schriftgießerei, eine Rephk dieser französischen
nationalen Renaissanceschrift herauszugeben. Es war die Schriftgießerei Deberny &
Peignot in Paris, die schließlich ihre Caractères Garamont einführte (Abb. 265), an denen
man angeblich mit zehnjähriger Unterbrechung schon seit dem Jahre 1913 gearbeitet
hatte. Dabei handelt es sich um eine sehr schöne Schrift, die besonders in den größeren
Schriftgraden der Antiqua und Itahka außerordentlich getreu dem Garamondschen
Prototyp folgt, obwohl aus einigen Details deutlich wird, daß hier auch die Jannon¬
schen Schriften beachtet wurden, was sich dann hauptsächlich in der größeren Schärfe
der Zeichnung der kleineren, geläufigeren Schriftgrade äußert. Dessenungeachtet be¬
wahren sich auch hier die oberen Minuskelserifen die charakteristische Form aus der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Die Antiqua des französischen Renaissancetypus ist also offensichtlich in der mo¬
dernen Typographie sehr zahlreich durch die verschiedensten mehr oder weniger ge¬
treuen Kopien der Garamondschen Schriften des 16. Jahrhunderts und der Jannon¬
schen 'caractères de l'Université' vom Beginn des 17. Jahrhunderts vertreten. Unsere
Übersicht all dieser 'Garamond'-Schriften ist übrigens immer noch nicht vollständig,
man müßte einige weniger geglückte Nachahmungen hinzurechnen, etwa die keines¬
wegs bedeutende Garamont der Fabrik Ludlow Typograph und viele andere Schriften,
die nach französischen Renaissancemustern hergestellt worden sein sollen. Unter die¬
sen Repliken werden aber häufig einige Antiqua- und Itahkaschriften angeführt, deren
Muster keinesfalls im Frankreich der Renaissance gesucht werden dürfen, sondern
vielmehr unter den Modifikationen der Antiqua und Italika des französischen Re¬
naissancetypus, die im 17. Jahrhundert in den Niederlanden entstanden. Annähernd
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266. Garamond-Antiqua. D. Stempel, ід2$.
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гбу. Plantin. Engl. Monotype, 1913.
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