ABCDEFGHIJK
LMNOPQRSTU
VWXYZ1234567
890&abcdefghijkl
mnopqrstuvwxyz
ABCDEFGHIJK
LMNOPQRSTU
VWXYZ1234567
890&abcdefghijkl
mnopqrstuvwyxz
251. Genzsch-Antiqua. F. Bauer; Genzsch & Heyse, igoy.
NEORENAISSANCE-ANTIQ.UA UND ITALIKA
der Grundform recht dunkle, nüchterne Zeichnung wirkt im Buchsatz immer sehr gut,
ebenso wie ihre fetten Varianten im Akzidenzdruck. Nicht weniger beliebt und zeich¬
nerisch gut war die Schrift Säculum, die in einer zahlreichen Familie verschiedener
Varianten 1907 von der Frankfurter Schriftgießerei D. Stempel AG herausgegeben
wurde. Sie ist aber keine Schrift von reinem Schnitt, denn zur Neorenaissancezeich-
nung sind hier fast egyptienneartig wirkende Serifen hinzugefügt, und daher könnte
sie auch unter die Egyptienneschriften eingereiht werden, obwohl sie als Buchschrift
vorgesehen war und zu ihrer Zeit tatsächlich als solche und schließlich auch für den
bibliophilen Satz diente. Einen ausgeprägten Neorenaissancecharakter hatte sodann
die sehr gute Genzsch-Antiqua, die in den Jahren 1907-1910 in der Zeichnung F. Bauers
nach und nach in verschieden proportionierten und verschieden fetten Varianten
von der Hamburger Schriftgießerei Genzsch & Heyse AG herausgegeben wurde (Abb.
251). Während man das kleine Alphabet dieser Schrift als beinahe vollendet be¬
zeichnen kann, stört bei den verhältnismäßig großen Versalien die Zeichnung des
Buchstabens M mit den gespreizten äußeren Zügen und der nur wenig unter die Mitte
des Schriftbildes reichenden Spitze des Winkels der inneren Züge. Diese Schrift be¬
währte sich gleichfalls nicht nur im Buchdruck, sondern auch in der Akzidenztypo¬
graphie. Hauptsächlich für dieses Gebiet bestimmt war sodann die stets sehr anspre¬
chende Klassische Antiqua derselben Schriftgießerei aus dem Jahre 1902, eine Schrift
mit stark differenzierten Proportionen der Versahen - nach dem Muster der altrö¬
mischen Inschriftenschriften - und mit dreieckigen Serifen.
Eine besondere Gruppe unter den deutschen nachklassizistischen Antiquaschriften
bilden die sogenannten Künstlerschriften, Schöpfungen von Morris' Anhängern, die
sich aber nicht mit der Nachahmung alter Muster begnügten, sondern sich davon
bei ihren Bemühungen um einen zeitgemäßen und persönlichen Ausdruck in der
Schriftkunst nur inspirieren ließen. So entstand eine ganze Reihe deutscher Schriften,
die aber, obwohl sie eigentlich nirgends sonst Analogien haben, in der Fachliteratur
der Welt aus irgendwelchen Gründen übersehen werden. Es wird zwar nicht geleugnet,
daß es darunter graphisch interessante und in der typographischen Praxis meist be¬
währte Schriften gibt, bei den meisten stört aber die ziemlich kühne, speziell deutsche
Art der Arbeit mit den Elementen der Schriftzeichnung, besonders im Vergleich zur
Nüchternheit der angelsächsischen Schriftkunst. Die deutschen Schriftkünstler arbei¬
teten für den Leser, der sich der Schriften des gotischen Typus erst zu entwöhnen
begann, fühlten sich jedoch hinsichtlich der Lateinschrift in keiner Weise an die Rück¬
sicht auf die Tradition gebunden, die die Schriftkünstler in Ländern nehmen mußten,
wo man schon vor Jahrhunderten von den gotischen Schriften Abstand genommen
hatte. Darum zeichnen sich auch die deutschen Versuche um eine moderne Antiqua
und Italika von allem Anfang an durch eine ziemlich radikale Auffassung aus, die
aber noch nicht immer Garantie eines guten Ergebnisses ist. Schon im Jahre 1908
versuchte der deutsche Architekt und Schriftkünstler Peter Behrens eine solche mo¬
derne Bearbeitung der Antiqua, aber seine Behrens-Antiqua, die die Firma Gebr.
Klingspor in Offenbach herausgab, ist schließlich unzweifelhaft eine Schrift im alten
Stil (Abb. 249). Das geht so weit, daß ihre Zeichnung in Übereinstimmung mit
Morris' Lehre auf der Schriftkunst der Periode vor der Entdeckung des Buchdrucks
beruht, weshalb sich ihre 'Modernität' nur in einigen Besonderheiten äußert, zum
Beispiel den einseitigen Serifen und anderen Eingriffen im Geist des Jugendstils. Aus
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