DIE NEORENAISSANCE-ERNEUERUNGSBEWEGUNG
mit ihr erstmalig gelang, nachzuweisen, daß auch die Setzmaschinenschrift die gra¬
phischen und Satzqualitäten einer Schrift für den Handsatz haben kann.
Viel bunter verlief die Entwicklung der Neorenaissance-Antiqua und -Italika in
der amerikanischen Typographie. Kurz nachdem Alexander C. Phemister in die Ver¬
einigten Staaten gegangen war, wo - wie wir wissen - schon im Jahre 1863 die Firma
Dickinson Foundry in Boston seine Franklin Old Style herausgab, entstand eine ganze
Reihe von Schriften dieses Schnittes, unter denen die Old Style Antiqua dem englischen
Prototyp anscheinend am nächsten kam ; unter der Bezeichnung Bookman hat sie die
Gesellschaft American Typefounders immer noch auf Lager (Abb. 245). Weniger ab¬
hängig von der Schrift der Firma Miller & Richard und mit ihrem Schnitt der Ori-
ginal-Caslon näher ist die Schrift Original Old Style, die bereits im Jahre 1905 für
Linotype-Setzmaschinen herausgegeben wurde. Aus der Frühperiode der typographi¬
schen Neorenaissance stammt auch die in Europa wenig bekannte, aber für die ame¬
rikanische Typographie so bedeutsame Schrift Century Old Style, die sich ursprünglich
um 1890 der bekannte amerikanische typographische Fachmann und Theoretiker
Theodor Low de Vinne für sein Century Magazin von L. B. Benton zeichnen Heß und
die bis heute die Firma American Typefounders und die amerikanischen und engli¬
schen Setzmaschinenwerke Linotype, Intertype und Monotype produzieren. Zeich¬
nerisch sehr arm, ist sie eine sehr nahe, nur etwas engere Analogie der Imprint, und
damit eine viel typischere Schrift vom Schnitt Old Style. Es genügt wohl, unter den
zahlreichen anderen amerikanischen Schriften dieses Typus und dieser Periode hier
noch die sehr erfolgreiche Schrift Ronaldson Old Style der Schriftgießerei Mac Kellar,
Smith & Jordan Co. aus dem Jahre 1884 anzuführen, die auch in den Ausgaben für die
Setzmaschinen Intertype, Linotype und Monotype recht bekannt ist. Mit der aus¬
geprägten, durch die überragenden Serifen etwas kantigen Zeichnung und der aus¬
gewogenen Verteilung der Farbe ist sie eine gut lesbare Schrift, die sich auf den ver¬
schiedensten Gebieten ihrer Verwendung immer wieder bewährte.
Die schnelle Entwicklung der amerikanischen Schriftgußindustrie und besonders
der Setzmaschinenerzeugung bewirkte, daß sich die amerikanische typographische
Schriftkunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Führung im Schriftschaffen der Welt
bemächtigte. Sehr bald machten sich durch die monotone Produktion von Schriften
des Typus Old Style Ermüdigungserscheinungen bemerkbar, und damit bei den
Schriften im alten Stil auch das Streben nach Originalität der Zeichnung. Diese Be¬
mühungen konnten allerdings größtenteils nur einen geringen moralischen und kom¬
merziellen Erfolg verzeichnen ; dennoch entstanden schon nach dem Jahre 1900 mehrere
so konzipierte Schriften, die sehr schnell und allgemein Fuß faßten und denen wir
heute noch begegnen. Eine solche zu ihrer Zeit sehr erfolgreiche Schrift war z. B. die
Cheltenham aus dem Jahre 1896, die Bertram G. Goodhue für die Firma Linotype zeich¬
nete und die nach 1902 auch von anderen amerikanischen und europäischen Schrift¬
gießereien herausgegeben wurde. Weltruf errang diese sonst unschöne, wenn auch
sehr praktische Schrift dadurch, daß sie in dem bis zu dieser Zeit größten Ensemble
von siebzehn Varianten verschiedener Größe, Proportion und Fette der Schriftzeich¬
nung herausgegeben wurde. Erstmahg wurden so die Grundsätze der Akzidenzschriften
des 19. Jahrhunderts auch auf eine Schrift von mehr oder weniger Renaissanceschnitt
übertragen. Diese Praxis wurde später oft ganz stillos auch auf Repliken ursprüng¬
licher Schriften von Meistern der Renaissance angewandt. Am beliebtesten war die
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ABCDEFGHIJKLMNOP
QRSTUVWXYZ abcdef
ghijklmnopqrstuvwxyz
ABCDEFGHIJKLMNOP
QRSTUVWXYZ abcdef
ghijklmnopqrstuvwxyz
244. Imprint. Engl. Monotype, 1913.
ABCDEFGHIJKLMNOPQ
RSTUVWXYZabcdefghij
klmnopqrstuvwxyz &1234
ABCDEFGHIJKLMNOP
QRSTUVWXYZ abcdefghi
jklmnopqrstuvwxyz & 12345
245. Bookman. A TF.
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