DIE NEORENAISSANCE-ERNEUERUNGSBEWEGUNG
der Fortschritt der Drucktechnik bescherte. In der Überzeugung, daß der Hauptgrund
für den leidigen Stand der zeitgenössischen materiellen Kultur gerade in der indu¬
striellen Revolution hege und in ihren Folgen für die Organisation und die Produk¬
tionsweise aller Bestandteile, die die Lebensbedingungen und das Miheu des modernen
Menschen bilden, gelangte Morris zum Leitprinzip seines Programms, daß die einzige
Rettung in der Rückkehr zur handwerklichen Fertigung der Vergangenheit bestehe.
Also keineswegs maschinelle Massenerzeugung billiger Güter für breiteste Kreise der
Mitbürger, sondern Kunsthandwerk und Warenunikate für Einzelne, die nicht nur
mit entsprechendem Verständnis, sondern leider auch mit entsprechenden finanziellen
Mitteln ausgestattet sein mußten. Gegen Morris' Forderung, daß jeder Gegenstand
aus dem Lebensmilieu des modernen Menschen ein Kunstwerk sein solle, kann sicher
im wesentlichen auch heute nichts eingewandt werden, obgleich wir Schönheit nicht
mehr nur in kunstgewerblichen Zutaten zur konstruktiven Form erbhcken ; im Gegen¬
teil, wenn diese vollendet ist, kann sie durch einen solchen Eingriff an eigener, rein
tektonischer Schönheit eher einbüßen. Problematisch ist jedoch der Weg, den Morris
als angebhch einzig zum Ziel führenden empfahl. Wenn man dem Künstler Morris
ein Recht zur Rückkehr in die Vergangenheit zugestehen kann, müssen wir dagegen
Zweifel erheben, ob auch der Soziahst Morris auf demselben Wege zum Ziel gelangte.
Künstlerische und gesellschaftliche Probleme kann man nicht gleichzeitig mit dia¬
metral entgegengesetzten Mitteln lösen ; es ist nicht möghch, sich gleichzeitig zu wün¬
schen, daß die Früchte der modernen Zivilisation allen Menschen zugute kommen
und dieselbe Zivilisation zum Teufel geht.
Zur Anwendung seiner reformatorischen und schöpferischen Grundsätze auf den
Buchdruck kam Wilham Morris ziemlich spät. Den ersten Versuch eines analogen
Reformismus in der Typographie machte er erst 1889, als er Whittingham seine Ro¬
manze in Prosa, A Tale of the House of the Wolfings, zum Satz übergab. Als Text¬
schrift suchte er sich die Basle Roman aus, jene Antiqua im Jensonschen Stil, die wir
bereits als ein Werk William Howards kennengelernt haben. Wenn Morris auch vom
langen s Abstand nahm, näherte er sich doch dem Geist der frühen Typographie noch
stärker durch einen komprimierten, nicht durchschossenen Satz, wodurch das stilge¬
recht dunkle Schriftbild betont wurde. Auf dem Titelblatt mußte er sich aber mit den
Versahen Casions begnügen. Im selben Jahre verwendete Morris zu einer anderen
seiner Romanzen, The Roots of the Mountains, wiederum die Basel-Antiqua Wil¬
liam Howards, aber mit revidierter Zeichnung des e, dessen Querstrich fast in die
Horizontale ausgerichtet wurde. Es scheint aber, daß Morris die Zusammenarbeit mit
dieser professionellen und technisch modern ausgestatteten Druckerei nicht sehr be¬
friedigte und daß er sich deshalb entschloß, auch in der Typographie bis zur Wurzel
des Übels vorzudringen, das er in der Mechanisierung des Produktionsprozesses er¬
blickte. Er richtete sich also in Hammersmith - bereits im Alter von achtundfünfzig
Jahren - eine eigene private Druckerwerkstatt ein, die er Keimscott Press nannte. Dort
begann er auf Anregung seines aufopfernden und sich im Hintergrund haltenden
Freundes Emery Walker und mit dessen Hilfe im Februar 1891 seine eigenen Vor¬
stellungen von einem vollendeten Buch zu verwirklichen. Hierbei schwebten dem aus
der präraffaehtischen Bewegung hervorgegangenen Morris als Ideal vor allem die
frühen Drucke des 15. Jahrhunderts vor, und zweifellos auch die noch älteren hand¬
schriftlichen Kodizes. Um diesem Ideal möglichst nahezukommen, mußte Morris mit
388
OF THADUENT OF OUR LORDE.
H E tymc of thaducnt or comyng of
our lord in to this world is halowed
in holy chirche the tymc of iiii wckes
in betokenyng of iiii dyuerse conv
yngcs. С The i was whan he came
and apierid in humayn nature and
flcssh. The ¡i is in the herte and
conscyence. The iii is at the deth.
The iiii is at last Jugement. The last
3 weke may vnnethe be accomplissed.
For the glorye of the sayntes whiche shal be yeuen at the last
cqmyng shal neuer ende ne fynysshe. And to this signyfy*
aunce the first responce of the first weke of aduent hath iiii
verse to rekene С Gloria patri & filio for one to the reporte of
the iiii wekis, and how be it that there be iiii comynges of our
lord, yetthe chirche maketh mención in especial but of tweyne,
that is to wete, ofthat he came in humayne nature to the world,
and ofthat he cometh to the Jugement& dome, as it apperith
in thofryce of the chirche of this tyme. And therfor the fas-
tynges that ben in this tyme, ben of gladnes and of joye in
one partie, & that other partie is in bitternesse of herte. By
cause of the comynge of ourlorde ¡nournature humayne, they
ben of joye and gladnes. And by cause of the comyng at the
day of Jugement, they be of bitternes and heuynes.
Stowchyngthecomyngofourlordinourbodyly
flcssh, we mayconsidrethrethyngesofthisconv
yng. That is to wete thoportunyte, the neces'
syte & the vtylyte. С The oportunyte of comyng
is taken by the reson of the man that first was
vanquysshyd in thelawe of nature ofthe defaulte
of the knowledge of god, by whiche he fyll in to euyll errours,
&therforehe was constraynedto crye to god С Illumina oculos
meos, that is to saye, lord gyue lyght to m yn eyen. Aftercam the
Iawe of god whiche hath gyuen commandement in which he
hath ben overcome of Impuissance, as first he hath cryed ther
is non that fulfilleth, but that comandeth. For ther he is only
taught but not delyuerd fro synnc, ne hotpen by grace, and
therfore he was const ray ned to crye.ther laketh non to comande
240. W. Morris, The Golden Legend. Kelmscott Press, і8дг.
389