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235- Grotesk-Antiqua des Jugendstils. Schmale Herold; H. Berthold, igo4.
GROTESK-ANTIQ.UA
den Musterbüchern der Druckereien als 'Renaissance'-Schriften angeführt werden,
sind dreieckige, der Antiqua gänzlich entgegengesetzte Serifen der ebenfalls sehr wenig
differenzierten Schriftzeichnung charakteristisch. Nur selten, und zwar in einigen
französischen und englischen Schriften dieser Art, wie den französischen types latines
oder der Etrurian der englischen Firma Stephenson Blake aus dem Jahre 1881 oder
der Latin Antique derselben Schriftgießerei und etwa derselben Zeit, besteht in der
Schriftzeichnung zwischen den schwachen und starken Zügen ein größerer Kontrast,
und damit eine offensichtlichere Zugehörigkeit zur Antiqua. Im übrigen ist die eigent¬
liche Schriftzeichnung völlig undifferenziert und so schwach, daß die schweren drei¬
eckigen Serifen und die nicht weniger fetten Horizontalen die Einordnung solcher
Schriften unter die beschnittene Itahenne verlangen, wie wir dies in einem Falle be¬
reits getan haben. Die Grotesk-Antiquaschriften mit der uniformen undifferenzierten
Zeichnung wurden jedoch in verschiedenen Proportionen und mit einem kleinen Al¬
phabet erzeugt (Abb. 232), häufig auch in sehr großen Schriftgraden zum Druck
von Plakaten.
Der Gruppe der Pseudorenaissance-Grotesk-Antiqua kann man vielleicht auch die
sehr zahlreichen Schriften der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuordnen, bei
denen die Kehlung der Serifen über die ganze Länge der Züge ausgedehnt ist, die sich
demnach in der Mitte konkav verengten. Mit eben diesem Namen Konkav werden
solche Schriften in den Musterbüchern der Firma Berthold und anderer deutscher
Schriftgießereien bezeichnet, während sie in Frankreich weniger treffend types hellé¬
niques genannt wurden (Abb. 231). Das Prinzip der Zeichnung all dieser Schriften ist
allerdings von Vorbildern inspiriert, die viel älter sind als die Renaissance. Den so
geformten Schäften sind wir nicht nur in der Frührenaissance, sondern bereits in der
ältesten Geschichte der Lateinschrift begegnet, in den frühen Inschriftenformen, die
hier als scriptura monumentahs mit verborgenen Serifen charakterisiert wurden. Nach
diesen Vorlagen griff man schon in den ersten Anfängen der Schriftkunstbewegung
der Neorenaissance nach der Mittendes 19. Jahrhunderts, eine seitlich der Schäfte mit
Punkten dekorierte Schrift dieser Art besaß bereits 1862 der englische Schriftgießer
James Wood, und die Firma Austin Wood hatte im Jahre 1863 auch eine hchte schat¬
tierte Variante (Abb. 231 E, F). Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden auch
andernorts zahlreiche weitere Varianten dieses Schnittes, die aber größtenteils bereits
vom allgemeinen Verfall der Schriftkunst gezeichnet waren.
Historisch und graphisch viel interessanter ist die zweite Stilgruppe der Grotesk-
Antiqua aus der Zeit um 1900, die die Jugendstil-Grotesk-Antiqua vorstellt. Ein beson¬
ders schönes Beispiel für eine Grotesk-Antiqua dieser Art haben wir heute noch in der
Schrift Herold der Berliner Schriftgießerei H. Berthold AG aus dem Jahre 1901 und
in ihre engen lichten Variante aus dem Jahre 1904 (Abb. 235). Die robuste 'Block-
Antiqua', wie wir diese Schrift wegen ihrer besonders in größeren Schriftgraden deut¬
lichen Verwandtschaft zur sogenannten Block auch bezeichnen können, ist immer
noch häufig in den Musterbüchern vieler Druckereien vertreten und trägt auch heute
zum niedrigen graphischen Gesamtniveau der geläufigen Plakate bei. Das ist aber
nicht allein die Schuld dieser Schrift, der man im Gegenteil zugestehen muß, daß sie
mit ihrer Zeichnung ihre Zeit sehr stilgerecht ausdrückt. Dort, wo es auch heute um
den graphischen Ausdruck der kurzen Epoche des Jugendstils geht, wäre die freie
Zeichnung dieser Grotesk-Antiqua erneut und einzig am Platz. Dasselbe gilt für die
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