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17g- Schmale lichte plastische Egyptienne des ig. Jahrhunderts.
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EGYPTIENNE
spielen solcher Schriften stoßen wir aber auf die negative geneigte Egyptienne Thorow¬
goods, die schon aus dem Jahre 1828 stammt (Abb. 175) und in der dennoch erhebliche
Veränderungen der Grundform durch das Beschneiden der Serifen und runden Züge
zu verzeichnen sind. Dieser ersten beschnittenen Egyptienne folgten kurze Zeit darauf
ähnliche, aber positive Schriften, wie sie im Jahre 1843 der schottische Schriftgießer
Wilson besaß, und etwa zur gleichen Zeit, wenn nicht sogar früher, auch Medau in
Leitmeritz. Bei den genannten Varianten beschränkte sich aber das Beschneiden des
Schriftbildes hauptsächlich auf die ursprünglich runden Züge; die Serifen wurden in
der traditionellen Rechteckform belassen, und ähnlich war es auch bei den folgenden
Schriften dieser Art. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Prinzip
grundsätzlich auch auf das kleine Alphabet der Egyptienne übertragen. Diese Goti¬
sierung der ohnedies bereits recht eckigen Egyptienne kam hauptsächlich in den engen
fetten Varianten der größeren Schriftgrade günstig zur Geltung. Deshalb ist es nicht
verwunderlich, daß so beschnittene Egyptienneschriften zu ihrer Zeit sehr beliebt
waren. Übrigens begegnen wir ihnen im alten ursprünglichen Schnitt auch heute noch
in mancher kleinen Provinzdruckerei (Abb. 176a). In den Musterbüchern amerika¬
nischer Schriftgießer des 19. Jahrhunderts kommen auch noch zwei abweichende, in
Europa unbekannte Varianten der beschnittenen Egyptienne vor, bei denen die An¬
wendung dieses Prinzips in interessanter Weise erweitert wurde (Abb. 176b, c). In
der ersten, schmalen dieser Varianten ist das Beschneiden der runden Züge von keil¬
förmigen Ausschnitten der Serifen in der Grundlinie und Schrifthöhe begleitet. In der
zweiten, breiten Variante, die man mit dem Namen Antique pointed oder spitzige
Egyptienne bezeichnete, wurde dieses Spitze durch konkaves Ausschneiden der äußeren
Umrisse der runden Züge erreicht, während die Innenkontur völlig rund blieb, was
auf keine Weise dem Egyptiennescharakter entsprach.
Eine weitere einfache ornamentale flache Egyptienne war die in der Hälfte der
Buchstabenhöhe mit kleinen hohlen Ringen geschmückte Skelettschrift Wilsons aus
dem Jahre 1843 (Abb. 177 A-D). Vielleicht war es der kommerzielle Erfolg dieser
nicht sehr bemerkenswerten Schrift oder auch der Konkurrenzneid, wodurch Vincent
Figgins veranlaßt wurde, Wilson bereits im Jahre 1847 mit einer ähnlichen Schrift
zu übertrumpfen, die er Half Skeleton benannte oder Halbskelett-Egyptienne (Abb.
177 E-H). Wie sich aus dieser Bezeichnung ergibt, ist sie nur zu einer Hälfte eine
Skelett-Egyptienne, nämlich der oberen, während die untere eine normale magere
Egyptienne ist. Die Verzierungsringe in halber Buchstabenhöhe sind bei der Figgins-
schen Schrift zur Abwechslung voll. Mit hohlen Ringen wurde die gleiche Halbskelett-
Egyptienne auch von einigen Schriftgießereien auf dem europäischen Festland pro¬
duziert (Abb. 177 I-M).
Die Reihe der ausgesprochen ornamentalen flächigen Egyptienneschriften leitet
dann eigentlich erst die lichte Kontur-Egyptienne ein, wie sie Thorowgood 1834 in
England herausbrachte und bestimmt nicht viel später auch andere europäische Schrift¬
gießereien einführten (Abb. 178 B). Hierauf folgen jüngere Egyptienneschriften, bei
denen entweder das Gesamtbild umstochen ist - wie in zahlreichen Varianten der
französischen, deutschen und amerikanischen Schriften (Abb. 178 A) - oder kon¬
sequent auch das Schriftbild von innen her, wie bei anderen nicht weniger allgemein
verbreiteten Schriften (Abb. 178 C). Aus einem alten Musterbuch der Wiener Hof¬
druckerei können wir schließlich ein Beispiel für eine doppelt umstochene Egyptienne
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