ORNAMENTALE BAROCKE ANTIQUA-MAJUSKEL
Punkte und der starken Züge durch hchte schattierte Ovale in der optischen Mitte
der Schrifthöhe beruhte.
Eine zweite Form der lichten ornamentalen Antiqua und Itahka ist konsequent
konstruiert, d. h. sie weist eine doppelte Kontur auch der schwachen Züge und Serifen
auf. Früher als im Buchdruck finden wir sie in den kalligraphischen Sammelwerken,
beispielsweise im zweiten Teil der Sammlung Michael Baurenfeinds, die 1735 in Nürn¬
berg erschien. Seine so bearbeitete Antiqua (Abb. 134) hat in den Versalien eine etwas
schwere Zeichnung, interessiert aber durch das kleine Alphabet, in dem Grandjeans
charakteristischer Dorn an der linken Seite des Schaftes beim / folgerichtig auch auf
die Schäfte der Buchstaben b, h, к und langes s übertragen wird. Ebenso gezeichnet ist
auch das Majuskelalphabet der Itahka aus der Sammlung Ordnung der Schrift, die
Gottlieb S. Münch 1744 in Dresden herausgab. Seine Vorlage sollte offenbar auch den
Bedürfnissen der Inschriftenkünstler dienen, und darum begegnen wir hier wiederum
dem Versuch einer geometrischen Konstruktion, diesmal allerdings, da es sich um eine
Itahka handelt, einer dem Schema des Rhombus eingeschriebenen. Das konsequente
ornamentale Umrißprinzip aus den Kupferstichdrucken und kalligraphischen Muster¬
büchern wurde, wie es scheint, erst um 1759 von dem Brüsseler Schriftschneider und
-gießer J. F. Rosart in die Typographie eingeführt, der sein so konzipiertes Alphabet
schöner Antiqua-Majuskeln (Abb. 135) durch einen sehr fetten Schatten der starken
Striche ausgeprägter machte, ohne die schwachen Züge und Serifen ebenso zu be¬
handeln. Diese vollkommenen Antiqua-Majuskeln erhielten sich bis heute in Original¬
matrizen im Fundus der Schriftgußfirma Enschedé in Haarlem und sind so auch den
modernen Druckern zugänglich.
Eine dekorative Wirkung der Antiqua des Übergangstypus konnte auch auf andere
Weise, durch wirklich ornamentale Eingriffe, erreicht werden. Am nächsthegenden
erscheint eine Form des Dekors starker Züge der vollen schwarzen ursprünghchen
Antiquazeichnung mit Hilfe weißer negativer graphischer Elemente. Seltsamerweise
erscheint aber eine solche barocke flach dekorierte Antiqua im Buchdruck erst am Ende des
18. Jahrhunderts. Eine dieser auf solch einfachste, aber sehr wirkungsvolle Weise ver¬
zierten Schriften ist zweifellos die Antiqua, die die englische Schriftgießerei S. & C.
Stephenson erst im Jahre 1796 herausgab. Die fetten Züge der Versalien dieser An¬
tiqua des Übergangstypus sind nur durch eine längs verlaufende Wellenlinie und
Punkte verziert, und trotzdem wirkt die Schrift außerordentlich dekorativ und an¬
mutig. Etwas komplizierter ist die dekorative Füllung der starken Züge der sehr fetten
und schattierten Versahen einer Antiqua aus dem 18. Jahrhundert, die sich ebenfalls
in den Originalmatrizen der Haarlemer Schriftgießerei der alten Firma Enschedé bis
heute erhielten (Abb. 136). Ebenso finden wir in den kalligraphischen Sammelwerken
dieser Zeit viele Analogien dieser Lösung einer dekorativen Füllung, aber die Grund¬
zeichnung solcher 'kalligraphischer' Antiqua-Majuskeln ist selten ohne unverzeihliche
Mängel.
Aus allen bisher angeführten Beispielen der ornamentalen barocken Antiqua und
Itahka des Übergangstypus konnten wir ersehen, daß hier die grundlegende Schrift¬
zeichnung in keinem Fall gestört wurde. Aber diese Rücksicht lag nicht in der Natur
der Schriftkünstler des Barocks, und deshalb gingen sie sehr bald auch zu ornamen¬
talen Veränderungen der Konstruktion über, und zwar nicht nur bei der Antiqua und
Itahka, sondern auch bei anderen Schriften, die sich zu dekorativen Zwecken eigneten.
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