Q.
HORATII
FL ACCI
OPERA
PARM AE
IN AEDIBVS PALATINIS
CIDHCCLXXXXl.
TYPIS BODONIANIS
///. G. B. Bodoni, 1791.
ITALIENISCHE KLASSIZISTISCHE ANTIQUA UND ITALIKA
beute zu seinem ersten Manuale Tipografico, das hundert Proben verschiedener exoti¬
scher Schriften und Lateinschriften enthält, zusammenfaßte. Hinsichtlich der Antiqua-
und Itahkaschriften folgte Giambattista Bodoni zu dieser Zeit dem Beispiel der ba¬
rocken Schriften des Übergangstypus, die vor ihm von Pierre Simon Fournier, Louis
Luce und John Baskerville geschaffen worden waren.
Erst 1789 vollzieht sich in Bodonis typographischem und schriftkünstlerischem
Schaffen eine Stilwandlung zum Klassizismus. In diesem Jahre kehrte Bodoni von
einem Besuch aus Rom zurück, dessen klassische Inschriftenkunst und Klassizismus des
zeitgenössischen Kulturgeschehens Bodonis Schaffen zur rein typographischen Äuße¬
rung in den Spuren Baskervilles und Didots lenkte, deren Werk er übrigens auch in
Parma sehr wachsam verfolgt hatte. Die neue Stilauffassung brachte Bodoni zuerst in
einer neuen Klassikerausgabe zur Geltung. Schon ihr erster Band, Q. Horatii Flacci
Opera aus dem Jahre 1791,1st eine schöne Probe aus der Meisterperiode von Bodonis
Typographie (Abb. in). Es genügt ein einziger Blick auf eine Seite des Satzes dieses
oder eines beliebigen anderen Bodonischen Werkes aus dieser Zeit, um sich vor der
Kunst des Graphikers Bodoni zu verneigen. Dieselbe Meisterschaft Bodonis kommt
in der Anordnung des eigentlichen Satzes zum Ausdruck, und besonders in der Aus¬
gewogenheit der Anfangsseiten, im harmonischen Zusammenspiel der Majuskelüber¬
schriften mit dem Minuskeltext und der Schriftzeilen mit dem Durchschuß, dessen
ästhetische Funktion er bei Baskerville kennenlernte. Vom gleichen Geist beseelt,
setzte Bodoni seine weitere außerordentlich fruchtbare Tätigkeit als Drucker fort, um
sich auch durch die umstürzenden historischen Ereignisse nicht stören zu lassen. Seine
apolitische Fachorientierung wurde nichtsdestoweniger durch seinen Ruhm ebenso
wie durch die Gunst mächtiger Protektoren belohnt, legitimer Herrscher und auch
Napoleons, der seine Bewunderung für die Arbeit Bodonis nicht nur mit Orden, son¬
dern auch durch freigebige materielle Unterstützung ausdrückte. Die seltene Har¬
monie einmütiger Verehrung wird nur vereinzelt von minder günstiger Kritik gestört.
Am schmerzhaftesten wurde Bodoni vom Urteil Firmin Didots getroffen, der 1799
erklärte, Bodonis Drucke seien sowohl wegen der Vielzahl von Druckfehlern, als auch
wegen des kaum erschwinglichen Luxus der äußeren Ausstattung praktisch wertlos.
Bodoni hatte tatsächlich bei seiner Arbeit nur die bibliophilen Neigungen seiner mo¬
narchischen und aristokratischen Klientel im Sinn und lehnte es zum Unterschied von
seinem großen Landsmann Aldus Manutius vorsätzlich ab, dem Bedarf eines Durch¬
schnittslesers entgegenzukommen ('je ne veux que de magnifique et je ne travaille pas
pour le vulgaire des lecteurs'). Er gab den größten Formaten den Vorzug, und es
störte ihn nicht, wenn es ihm die Ausmaße der Presse nicht gestatteten, mehr als eine
Druckseite auf einmal zu drucken. Beim Satz sparte er nicht mit Raum, verwendete
große Schriftgrade und starken Durchschuß und ließ breite Ränder frei. Dabei brachte
er freilich auf außergewöhnlich günstige Weise die Qualität seiner Schrift zur Geltung,
was ihm bei sparsamerem Satz in kleineren Schriftgraden sicher nicht so offenkundig
gelungen wäre.
Ebenso wie in der Typographie bemühte sich Bodoni auch in seinen Schriften, die
Didotschen Vorbilder zu übertreffen, denen er im übrigen Schritt für Schritt folgte.
Seine Antiqua zeigt um 1789 alle Merkmale des klassizistischen Stils in einer noch
kühleren Zeichnung, so daß sie zum Prototyp des Klassizismus in der europäischen
Schriftkunst wurde. In der Italika hielt er sich an die flachen Serifen der ersten Itahka
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