BAROCKE ANTIQUA UND ITALIKA
Bogen ablehnen (Abb. 103), eine Schrift, die er schon 1732 schuf, denn ihre Beliebt¬
heit beruhte sicher auf ihren nicht geringen graphischen und praktischen Qualitäten.
Sie ist im wesentlichen die traditionelle niederländische Antiqua mit dem großen,
aber enger gewordenen Schriftbild. Ähnlich wie bei Fournier begegnen wir auch hier
keiner grundsätzlichen Anwendung von Grandjeans Prinzip der flachen Serifen und
der vertikalen Schattenachse. Im gleichen Geist ist auch die sehr lichte, farblose Ita¬
lika konzipiert, die diese Fleischmannsche Antiqua vom Stil der Goût hollandais be¬
gleitet. Fleischmann zeigte sich aber nicht immer so gemäßigt im Schnitt all seiner
etwa zwanzig Schriften dieses Typus. Von seiner Virtuosität verleitet, entzog er den
schwachen Strichen und flachen Serifen so viel Kraft, bis er zu den haarfeinen Linien
gelangte, die ihm gerade am meisten vorgeworfen werden. Eine bessere Gelegenheit,
diese Fertigkeit zur Geltung zu bringen, boten Fleischmann jedoch die Alphabete
seiner verschiedenen Schreibdruckschriften, mit denen wir uns im entsprechenden
Kapitel beschäftigen werden.
Mit Fleischmann arbeitete bei Enschedé in Haarlem Jacques François Rosart (1714-
1777), eine weitere beachtenswerte Persönlichkeit der Schriftkunst des 18. Jahrhun¬
derts. Der geborene Franzose aus Namur begründete in Haarlem eine kleine Schrift¬
gießerei, deren längere Existenz durch den raschen Aufschwung der Firma Enschedé,
für die er von Anfang an als Lieferant und später im Lohnverhältnis arbeitete, un¬
möglich gemacht wurde. In seiner Antiqua, die im Fundus der Firma Enschedé blieb,
vergrößerte sich der Kontrast der Modellierung des Schriftbildes stark, und anderer¬
seits verschwand die Kehlung der unteren Serifen fast völlig. Das Buchstabenbild
ist immer noch niederländisch breit, mit Ausnahme der Minuskel a, die merkwürdi¬
gerweise besonders eng ist. Es scheint aber, daß Rosart besonders auf den Schnitt der
Antiqua-Versahen speziahsiert war, bei denen er durch die Form der Serifen schon
den Zusammenhang mit der Renaissancetradition abbrach. Die konsequente Ver¬
wendung haarförmiger Serifen ohne Kehlung und die vertikale Schattenachse war
übrigens bei den Versahen früher die Regel als im kleinen Alphabet und kommt schon
in den Schriften der Luther-Egenolffschen Gießerei im zweiten Jahrzehnt des 18.
Jahrhunderts vor. Um 1750 verheß Rosart Haarlem und eröffnete in Brüssel eine
eigene Werkstatt. Die Schriften, die er danach in seinen Musterbüchern anführte,
waren aber nicht alle sein Werk. Einige Schriften seiner Gießerei waren direkt von
den Matrizen Fourniers abgegossen, die Zeichnung anderer, besonders der Italika-
und Schreibdruckschriften, von den Schriften dieses französischen Meisters abgeleitet.
Ebenso abhängig vom Vorbild P. S. Fourniers war der italienische Schriftschneider
Giambattista Bodoni, der nach 1771 Fourniers Schriften so vollendet nachahmte,
daß man sie von diesen kaum unterscheiden kann (Abb. 104).
Ein weiteres Land, wo im 18. Jahrhundert eine andere, historisch und graphisch
außerordentlich interessante und immer lebendige Form der Antiqua und Italika
entstand, war England. Dort lebte bekannthch im ersten Drittel dieses Jahrhunderts
die Renaissance-Antiqua im geglückten Archaismus des Schnittes der Schrift William
Casions wieder auf, die sich mit ihrer Geburt um beinahe zwei Jahrhunderte verspä¬
tete. Unmittelbar nachdem William Caslon seine ersten Erfolge geerntet hatte, ent¬
stand eine neue englische Buchschrift, die im Gegenteil zur erstgenannten recht zeit¬
gemäß wirkt. Ihr Autor war John Baskerville, eine große Persönlichkeit in der Geschichte
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Text Romyn.
¡ц Lors qu'Aspafie étoit concubi¬
ne d'Artaxerxès : On ne fauroit
lui donner moins de vingt ans à la
ч mort de Cyrus : elle avoit donc
Щу foixante - quinze ans lors qu'un
nouveau Roi la demande comme
une grace particulière. PLTGA
ABCDEFHIJKMNOQSU
Ê\VWXYZJE ^EABCDEFGHIJKL/j
MMNOPQRSTUVWYZ ÇËO^IJc
i2345^789iot(C3§!^0Xumñ
Text Curfyf,
Cicerón ménagea toujours Dola-
bella le plus doucement qu'il put. Il
avoit fans doute plus tfhabileté que
j% de fermeté', & il voioit que le parti
W\ de Pompée fé ru'inoit de plus en plus
\par Ics contiuelles vicloires de Jules
ABCDEFGHIKLMNO
PQRSTVIVXTZ. ÜJJE
103. J. M. Fleischmann, 1732.
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